Süddeutsche Zeitung

Bundestagswahl:Hoffnungsträger der SPD

Der 25-jährige Student Christian Winklmeier soll der Bundestagskandidat der SPD im neu zugeschnittenen Wahlkreis werden. Für den jungen Mann ist die Bewerbungstour vor allem eines: eine interessante Erfahrung

Von Michael Berzl, Gilching

Ausgerechnet Udo Jürgens. Da muss Christian Winklmeier kurz nachdenken, ob er damit punkten kann, wenn er sich als Fan des gestorbenen Schlagersängers outet. Mit seinen gerademal 25 Jahren, auf dem Weg zu einer Bundestagskandidatur. Aber der Gilchinger Nachwuchspolitiker will sich nicht verstellen, will nicht herumeiern bei der Frage nach seinem Musikgeschmack. Ja, tatsächlich: Udo Jürgens. Winklmeir hat sich die größten Hits auf sein Smartphone geladen.

Eindruck will er schon machen und möglichst gut rüberkommen, schließlich befindet er sich im Wahlkampf, aber wohl nicht um jeden Preis. In Jeans, weinrotem Kapuzenpulli und mit einer Silberkette um den Hals kommt der Student zum Gespräch in einem Café am Gilchinger Marktplatz. Seine Freundin Kerstin Königbauer ist mit dabei, sie ist ebenfalls Studentin und wohnt ebenfalls in Gilching. Sie begleitet ihren Freund oft, wenn er als Politiker unterwegs ist, sogar zu Terminen bei den Ortsvereinen; sonst würde sie den vielbeschäftigten jungen Mann ja noch seltener sehen. "Wir kriegen das hin", sagt die 20-Jährige. Das scheint ein Slogan der beiden zu sein.

Wenn Winklmeier erzählt, klingt das geradlinig, zielstrebig, glatt. Das Abitur hat er mit einem Notenschnitt von 1,4 locker geschafft. Alles nimmt der junge Mann vor allem als interessante Erfahrung wahr. Die Zeit als Achtklässler im Internat in Würzburg zum Beispiel, als er im Tischtenniskader war, oder der Zivildienst im Montessori-Kindergarten, auch das eine "tolle Erfahrung". Oder das Praktikum in der Landtagsfraktion im vergangenen Jahr - "sehr schöne Einblicke, wie die Staatsregierung arbeitet". Im Oktober will er einen Halbmarathon in München laufen.

Nun folgt eine weitere Erfahrung. Allein durch den Neuzuschnitt des Bundeswahlkreises war klar, dass die SPD im Landkreis Starnberg einen neuen Kandidat braucht; und das noch bevor der bisherige Stimmkreisabgeordnete Klaus Barthel, der auch den Landkreis Starnberg betreute, ankündigte, dass er nicht mehr antritt. Die Genossen in Wolfratshausen und Bad Tölz bringt das in arge Personalnöte. Aber im Fünfseenland gibt es ja Winklmeier.

Er ist stellvertretender Kreisvorsitzender, Ortsvorsitzender, Gemeinderat und Jugendreferent. Einmal für den Bundestag zu kandidieren, habe nicht zu seinen Zielen gehört, aber man sei auf ihn zugekommen. Der Kreisverband erwartet von ihm einen "unkonventionellen und energiegeladenen Wahlkampf", wie es in einer Mitteilung heißt. Die Kreisvorsitzenden Julia Ney nennt ihn "unglaublich engagiert, immer motiviert und bei der Sache". Seit April ist Winkelmeier "im Wahlkampfmodus" unterwegs, um sich bei seinen Parteifreunden vorzustellen. In den meisten Ortsvereinen war er schon, darunter in Krailling und Gauting, Starnberg und Feldafing, Andechs und Herrsching. Er will zeigen, wie er tickt, wie er denkt.

Das Reden fällt ihm leicht, Nachfragen sind kaum nötig. Winklmeier erzählt einfach vor sich hin in einem gleichbleibend ruhigen Ton, ohne große Emphase, aber immer sehr ernsthaft. Er spricht von Generationengerechtigkeit und den Herausforderungen durch die Zuwanderung, den Problemen der Kommunalfinanzen und den Gewerbesteuerhebesätze. Ohne Stocken, ohne Öh und Äh. Dem kann man zuhören. Erst ganz spät kommen Politfloskeln wie "Wir in der SPD". Oder: "Darüberhinaus bin ich ganz klar der Meinung". Andere Mittzwanziger hätten vielleicht eher eine klare Meinung zu einem neuen Club in München oder zur Cristiano Ronaldo.

"Es ist schon eine sehr tolle Erfahrung, zu lernen, wie man Projektmanagement betreibt", sagt Winklmeier. "Ein tolles Projekt für mich persönlich." Dabei steckt er noch mitten im Volkswirtschaftsstudium in Augsburg. Er ist gerade im zweiten Master-Semester, ob er im nächsten Jahr Zeit hat, seine Abschlussprüfung zu schreiben, weiß er noch nicht. Zwei Bachelor-Studiengänge der Volkswirtschaftslehre und der Politikwissenschaften hat er in München schon erfolgreich absolviert. Thema seiner Bachelor-Arbeit war das 2013 überarbeitete Landesentwicklungsprogramm.

Wichtige Entscheidungen über die SPD-Kandidatur fallen Mitte September bei einer Delegiertenversammlung in Wörthsee und im Oktober beim Bezirksparteitag, ehe im Dezember der Landesparteitag die Kandidatenliste beschließt. Bisher sind immer die Direktkandidaten der CSU durchgekommen, das ist dem designierten SPD-Kandidaten schon klar. "Aber es kann sich immer mal etwas anderes ergeben", glaubt er. Wäre eine interessante Erfahrung.

Der 25-Jährige hat derzeit einen vollen Terminkalender. Ein bisschen Zeit zum Lesen bleibt aber noch. Gerade liest Winklmeier eine Biographie von Gerhard Schröder. Wie zur Entschuldigung erzählt er, das Buch habe er bei einem Billardturnier seines Ortsvereins gewonnen. Ausgerechnet Gerhard Schröder.

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Quelle:
SZ vom 22.07.2016
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