Süddeutsche Zeitung

Gilching:Gilching bezahlt Prämien für jede Erzieherin

Personalmangel bringt Kommunen auf ungewöhnliche Ideen. Demonstrationsteilnehmer fordern bessere Bezahlung.

Joana Lehner

"Schöne Häuser betreuen keine Kinder", ruft Bürgermeister Manfred Walter unter Applaus in die Menge auf dem Gilchinger Marktplatz. Er ist neben Gerhard Samuel Jäger, Geschäftsführer von KinderArt und der Elternvertreterin Sonja Kanis einer der drei Redner bei der Kundgebung für bessere Rahmenbedingungen bei der Kinderbetreuung. Erzieherinnen, Eltern und Kindergartenträger haben sich dabei zusammen gefunden, um ein Problem anzuprangern: zu wenig Personal und der Druck der Eltern, die mehr Betreuung und längere Öffnungszeiten fordern.

"Wir wollen die Diskussion in eine neue Richtung lenken, weg von mehr Plätzen und längeren Öffnungszeiten, hin zu Qualität für Eltern und Kinder", sagte Walter. Ein erster Schritt hierfür wäre in seinen Augen das Verständnis der Eltern. Ändern sollte sich außerdem die Finanzierung: Die Politik fordere zusätzliche Betreuungsplätze, stelle aber keine entsprechenden Mittel für den Ausbau der Betreuung zur Verfügung, sodass die Kommune selbst dafür aufkommen müsse.

Allein in Gilching seien in den vergangenen drei Jahren in dem Bereich sechs Millionen Euro investiert worden, sagte Walter. Fachakademien kommen nach seinen Worten mit der Ausbildung von Erziehern gar nicht mehr nach. Umschulungen schafften keine adäquate Abhilfe für den Erziehermangel. "Die meisten Berufsexternen haben keinen sozialpädagogischen Hintergrund", sagte Silvia Lange von der Bürgerinitiative Vorschulbetreuung, "und der Draht zu Kindern ist leider nicht messbar."

Ändere sich nichts an den Rahmenbedingungen, herrsche in zwei bis drei Jahren Personalnotstand, denn viele ältere Erzieherinnen stünden kurz vor dem Ruhestand.

In Starnberg ist die Situation ähnlich: "Es ist ein Kampf", sagt Stadtsprecher Karl-Heinz Springer. "Geeignete Bewerber zu finden, ist schwierig. Innerhalb kürzester Zeit sind viele neue Einrichtungen entstanden, der Bedarf an Betreuungsplätzen und qualifiziertem Personal ist stark gestiegen und uns fehlt die Möglichkeit, finanzielle Anreize zu bieten." Die Stadt versuche deshalb, besonders angenehme Bedingungen für die Erzieherinnen zu schaffen. Zum Beispiel durch kontinuierliche Schulungen, gesundheitliche Angebote und Springerpersonal, das bei Krankheit vertritt.

"Jeder sucht händeringend nach Erziehern. In Gilching haben wir sogar eine Prämie von 500 Euro auf jede erfolgreiche Vermittlung ausgesetzt", berichtet Bürgermeister Walter. Auch Kinder-Art-Chef Jäger fordert in der Kundgebung: "Die Bezahlung der Erziehungskräfte wird sich nur ändern, wenn sich die Tarifparteien dafür einsetzen. Im Moment ist die Bezahlung nicht an die Qualifikation und die lange Ausbildungszeit angepasst. Wir leben von Mund-zu-Mund-Propaganda; anders sind Erzieher kaum zu erreichen."

In Starnberg stehen derzeit rund 40 Prozent des Bedarfs an Krippenplätzen für unter Dreijährige bereit. In Gilching sind es 51 Prozent. Die Erzieher stehen währenddessen oft unter Druck. "Druck der Eltern, Druck der Politik mit sämtlichen Auflagen und natürlich Druck, den sie sich selbst machen", sagt Verena Schmid, die seit zehn Jahren die Bürgerinitiative Vorschulbetreuung in Gilching leitet. Nimmt der Druck Überhand, könne es eben passieren, dass Erzieher wie eine ehemalige Kollegin, aus ihrem Beruf flüchten "und dann eben weniger Stunden bei Aldi arbeiten, dafür aber mehr verdienen", sagt Schmid und lächelt traurig.

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SZ vom 23.02.2013
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