Gilching:Ein Pianist für alle Fälle

Gilching Konzert RH

Egal ob Jazz, Blues, Gospel oder Funk: der Pianist Matthias Bublath beherrscht die Gattungen und experimentiert virtuos.

(Foto: Georgine Treybal)

Auftakt der Rathauskonzerte mit Matthias Bublath

Von Reinhard Palmer, Gilching

Er ist nicht gerade eine ausgesprochene Konzerthalle - der Veranstaltungssaal im neuen Gilchinger Rathaus. Aber mit Jakobus Ciolek leistet sich die Stadt einen Kulturbeauftragten, der offenbar weiß, wie der Saal seine Stärken ausspielen kann. Nun eröffnete er vor gut gefüllten Reihen die erste Konzertsaison. Als Ergänzung zu den Aktivitäten der lokalen Vereine geht es im Rathaussaal um einen kammermusikalischen Rahmen, der für bestimmte Darbietungen geradezu perfekt sein kann. Etwa für solistische Auftritte oder Duos, wie sie Ciolek in den ersten drei Konzerten erprobt.

Für die Eröffnung den Jazz-Tastenkünstler Matthias Bublath einzuladen, war sozusagen der Big Bang in Minimalstbesetzung. Seit seiner Rückkehr aus den USA 2009 mit einem Koffer voller Erfahrungen aus New York legte Bublath hierzulande einen absolut überzeugenden Neustart hin. Vor allem einen, der den Pianisten und Hammond-Orgel-Virtuosen als einen vielseitigen und innovativen Künstler auszeichnet. Ob Jazz, Blues, Boogie, Ragtime, Honky-Tonk-Style, Gospel, Funk, Latin, Soul, Pop oder Rock: Bublath beherrscht die Gattungen und Genres nicht nur, sondern hat dafür auch eine eigene Stilistik entwickelt.

Am liebsten experimentiert er aber mit mehreren Gattungen innerhalb eines Stückes, bricht die Rhythmen, wendet selbst in voller Fahrt, wechselt die Stimmung. Und dennoch gelingt es ihm, das alles unter einen schlüssigen Bogen zu bringen. Die Eigenkompositionen wie "Eight Cylinder", "Odd Samba" oder "Tarde en la Habana" sind geradezu darauf ausgelegt. Bublath verfügt über eine Intuition, die ihn dazu befähigt, sich in der Musikstilistik gänzlich frei zu bewegen und ungeachtet der Vielfalt der Mittel die übergeordnete Idee nicht aus dem Blick zu verlieren. Seine Musik ist suggestiv und bilderreich, doch ohne programmatisches Korsett. Seine Stücke gleichen vielmehr Abenteuerreisen, auf denen Bublath zwar auf ein solides Vehikel bauen kann, aber nicht weiß, was unterwegs so alles passieren kann und wo er seinen stets lustvoll-fulminanten Endspurt hinlegen wird. So gelingt es ihm, sogar sich selbst zu überraschen und damit immer spontan zu bleiben. Selbst Klassiker wie John W. Greens "Body and Soul" oder die Blues-Nummern von Herbie Hancock, das packend beschwingte "Driftin" oder das funky "Chameleon", konnten deshalb neu entdeckt werden.

Solistisch aufzutreten, nutzte Bublath auch dafür, experimentell vorzugehen und mit elektronischen Helfern eine Band zu simulieren. Die legendäre Hammond-Orgel B3 sollte ihre Vorzüge offenbaren, über das besondere Klangbild hinaus, das Bublath nicht vorab registrierte, sondern das Publikum schrittweise beim Spielen an der Entstehung des jeweiligen Sounds teilhaben ließ. Über Manualwechsel und Feintuning folgte reiche Differenzierung. Einzig befremdend blieb das unentwegte, allzu extreme Variieren der Lautstärke, zumal ohne Bezug zur gespielten Musik. Weniger davon wäre mehr gewesen. Ein Gewinn hingegen das Spiel mit Sample-Loops, die es Bublath ermöglichten, über live aufgezeichnete Grooves und Begleitfiguren der Hammond-Orgel, am Flügel oder auf einer Melodica zu improvisieren und große Klangszenarien zu entwerfen.

Schon Bublath allein würde als Band durchgehen. Mit der linken Hand trieb der Pianist die Rhythmusgruppe mit packenden Grooves an. Und als Kontrast dazu gab es Höhenflüge der Poesie, etwa in "Sail away" von Tom Harrell oder im brasilianischen "La Comparsa". Begeisterter Applaus, zwei Zugaben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: