Gilching:Aldi-Entscheid in gespannter Atmosphäre

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Gegenseitige Vorwürfe prägen die Debatte über das geplante Auslieferungslager beim Gilchinger Gewerbegebiet. Am Sonntag stimmen die Bürger ab.

Christian Deussing

Bis kurz vor der Abstimmung an diesem Sonntag haben die Gilchinger heftig über den geplanten Bau eines Aldi-Logistikzentrums beim Gewerbegebiet Süd unweit der Lindauer Autobahn debattiert. Nun haben sie es selbst in der Hand, per Bürgerentscheid festzulegen, ob ein Bauleitplanverfahren eingeleitet werden um das rund 30 Millionen Euro teure und 49 000 Quadratmeter große Warenauslieferungslager des Discounters zu ermöglichen. Wie die Abstimmung ausfällt, wagen auch Insider kaum zu prophezeien; das Ergebnis dürfte daher knapp ausfallen.

Das Unternehmen will seinen bisherigen Stützpunkt in Eichenau aufgeben, weil es dort zu eng geworden ist. Den Entscheid hatte die Bürgerinitiative "Gilching gewinnt" - unterstützt von den Freien Wählern und Ehrenbürger Heinrich Will (CSU) - über eine Klage gegen die Gemeinde vor dem Verwaltunsgericht München durchgesetzt. Der Gemeinderat hatte das Bürgerbegehren abgelehnt und bereits zuvor entschieden, weitere Ansiedlungen von Firmen südlich des Gewerbegebietes in Richtung Unterbrunn zu verhindern. Der Aldi-Konzern hatte im Juni 2010 das rund 12,5 Hektar große Areal auf Gilchinger und Gautinger Flur für angeblich 5,6 Millionen Euro von einem Landwirt erworben.

Während der Gautinger Gemeinderat das Warenlager einstimmig befürwortet hatte, kippte die Stimmung in Gilching. Die Gegner warnen vor dem "massiven Eingriff in das Landschaftsschutzgebiet" und dem verstärkten Lieferverkehr durch Gilching. Vor der entscheidenden Sitzung der Räte vor zwei Jahren zog Aldi seinen Antrag auf eine Änderung des Flächennutzungsplanes zurück.

Umstritten sind die Angaben des Unternehmens zur Gewerbesteuer, die Aldi den betroffenen Gemeinden zahlen würde. Projektleiter Michael Klöter betont stets, dass Gilching und Gauting jeweils mit rund einer halben Millionen Euro pro Jahr rechnen könnten. Diese Prognose bezweifeln jedoch die Gegner, die sich in dem Bündnis "Gilching bleibt fair" organisiert haben; dazu gehören bis auf die Freien Wähler und Stefan Hartmann von der FDP sämtliche Faktionen im Gilchinger Gemeinderat.

Einer der schärfsten Kritiker ist das Bündnismitglied und Steuerberater Alfred Gesierich. Er geht davon aus, dass für Gilching etwa 300 000 Euro abfallen, was nur drei Prozent der gesamten Gewerbesteuer-Einnahmen in der Kommune ausmache. Der Diplom-Kaufmann wurde wegen seiner Äußerungen zu einer Reizfigur für den Aldi-Konzern, wo von "grundfalschen Rechnungen" die Rede ist. Anwälte des Discounters ließen deshalb Gesierich berufsrechtlich von der Steuerberaterkammer überprüfen. Diese entlastete allerdings ihr Mitglied von den Vorwürfen und verwies auf dessen Recht auf freie Meinungsäußerung.

Die Aldi-Befürworter werden in der Gemeinde inzwischen teilweise als "Spezl, Spekulanten und Lobbyisten" bezeichnet. Die Bürgerinitiative wehrt sich gegen diese Anschuldigungen und betont, dass es ihr lediglich um eine vernünftige Gewerbepolitik und "solide und dauerhafte Steuereinnahmen" zum Wohle der Gemeinde und Vereine gehe.

Nach dem Gilchinger Entscheid vergeht nicht mal eine Woche, bis der Aldi-Manager Klöter einen Termin bei den Gautinger Gemeinderäten hat. Er nimmt am kommenden Samstag an einer Klausurtagung teil.

Steuereinnahmen oder Flächenfraß? Ein Pro und Contra:

Pro

Die Bürgerinitiative ,,Gilching gewinnt'':

Es geht um Arbeitsplätze und eine sichere Gewerbesteuer eines der solidesten deutschen Unternehmen, das jeweils etwa 500000 Euro jährlich an Gilching und Gauting zahlen wird. Kein Lkw wird durch Gilching fahren, das Logistikzentrum ist optimal an die Lindauer Autobahn angebunden. Regionale Betriebe profitieren von dem Bauprojekt und werden für rund 15 Millionen Euro Aufträge erhalten. Auf dem Dach des Warenlagers entsteht die größte Fotovoltaikanlage im Landkreis Starnberg. Eine isolierte Fichtenmonokultur wird durch einen hochwertigeren Laubmischwald ersetzt.

Contra

Das Bündnis ,,Gilching bleibt fair'':

Schlimmer Eingriff ins Landschafts- und Wasserschutzgebiet, Bannwald und Naherholungsflächen werden zerstört. Das Logistiklager öffnet die Tür für weiteres, unerwünschtes Großgewerbe. Günstiges Ackerland von 12,5 Hektar wurde von Aldi spekulativ erworben, um Baurecht zu erzwingen. Der Flächenfraß steht in keinem Verhältnis zu den nur 200 Arbeitsplätzen und zur eher geringen Gewerbesteuer, die zu erwarten sind. Die gemeindliche Planung für Gewerbeansiedlungen wird missachtet und der An- und Ablieferverkehr mit bis zu 600 Lkw-Fahrten täglich Gilching belasten.

© SZ vom 13.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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