Das Ganze ist für Lando, der mit bürgerlichem Namen Melander Holzapfel heißt, immer noch „total surreal“. Wenige Tage vor dem ersten der zehn Konzerte des britischen Mega-Popstars Adele kam der Anruf eines Kollegen. Bei der Abnahme des akribisch durchgestylten Pop-up-Stadions mit Platz für 80 000 Menschen auf dem Messegelände in Riem war dem Management die leere Wand eines Lagercontainers aufgefallen. Sie sollte noch schnell mit einem Porträt von Adele verschönert werden. Das Ergebnis hat alle Erwartungen übertroffen. „Die Wand ist ein richtiger Selfie-Spot geworden“, so der Gilchinger Streetartkünstler. Er zeigt Videos, auf denen man lange Schlangen sieht, die sich bei den Konzerten für ein Foto vor der Wand anstellen. Die Fassadenmalerei ist auch im Fernsehen, in den Zeitungen und in den sozialen Medien erschienen. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, staunt auch Teammitglied Bert aus Weimar, der eigentlich Nils Jänisch heißt.
Der Auftrag ging an den Streetartkünstler Eliot the Super (Markus Henning), der sich zur Verstärkung Jänisch und Holzapfel ins Team holte. „Wir kennen uns seit der Jugendzeit“, erklärt Holzapfel. Damals hatten die beiden allerdings noch keine Auftragsarbeiten übernommen, sondern in der Nacht Wände mit Graffiti besprüht. „Ich habe mich sofort in Weimar ins Auto gesetzt und bin nach München gefahren“, erinnert sich Jänisch. „Sehr krass“ sei das riesige Pop-up-Areal in Riem gewesen. Ohne Akkreditierung wären sie gar nicht auf das Gelände gekommen. Es wurden sogar Sprengstoff-Suchhunde in ihr Auto geführt.
Die groben Vorgaben, was auf die Wand gemalt werden sollte, standen fest: ein Porträt von einer lachenden Adele auf schwarzen Hintergrund mit Planeten und dem Spruch „Guten Tag, Babes!“. Eine Riesenchance für die drei Streetartkünstler, die ihnen jedoch auch Respekt einflößte. „Es handelt sich schließlich nicht um irgendein Porträt, sondern um ein Gesicht, das Millionen Menschen kennen. Wenn da ein Auge zu klein oder schief geworden wäre, dann hätte ich versagt“, erklärt „Bert“ Jänisch, der für den Entwurf zuständig war, seine ursprüngliche Sorge.
Doch dass etwas schiefgehen könnte, hat Holzapfel nie wirklich befürchtet. „Bert ist ein starker Künstler, der malt wie ein Drucker“, lobt er. Von frühmorgens bis in die späte Nacht wurde an dem Projekt gearbeitet. „Mehrfach mussten wir wegen Regenschauern unterbrechen.“ Da hieß es abwarten und anschließend die Wand mit einem Abzieher und Lappen wieder trocknen. Trotzdem war die Stimmung gut. „Unsere Zusammenarbeit ist perfekt. Jeder weiß, wo die Stärken und Schwächen des anderen sind und vor allem: Wir haben viel Spaß zusammen“, berichtet Jänisch.




Regelmäßig schickten die Künstler Updates vom Verlauf ihrer Arbeit an das Konzertmanagement, um ein „Okay“ zu bekommen. „Als wir ein Drittel fertig hatten, hat Adele bereits gesagt, dass sie es geil findet. Das Endergebnis hat dann nochmal fett reingehauen und ist ein absoluter Selfie-Magnet geworden“, freut sich Holzapfel. Die Foto-Vorlage sei ideal gewesen, schwärmt er. „Der große lachende Mund, die wehenden Haare, der Blick zur Arena ... das Porträt hatte eine starke Fern-/Nahwirkung.“ Da es in Bodennähe gemalt wurde, kann man sich davor perfekt für ein Foto aufstellen. „Wir haben bereits zweimal nachbessern müssen“, erzählt Holzapfel. Der große Andrang an Menschen, die sich an das Bild lehnen und berühren, ging nicht spurlos an dem Kunstwerk vorbei. Jetzt hat das drei Meter hohe und zweieinhalb Meter breite Porträt einen besonders haltbaren Anstrich bekommen.
Da das Bild dermaßen „durch die Decke gegangen ist“, überlegen die drei, in Zukunft Künstlerporträts als Foto-Spot für Konzerte als neues Geschäftsmodell anzubieten. Ihre Adressen haben sie schon einmal unten auf das Kunstwerk angebracht. „Das bringt vielleicht den nächsten Auftrag“, hofft Holzapfel.
Mit Adele hatten die Künstler bisher noch keine Berührungspunkte. „Sie war uns natürlich schon ein Begriff, sie ist ja schließlich ein Superstar“, so Jänisch – oder wie es Holzapfel ausdrückt „eine enorm heiße Nummer“. Während ihres Auftrags haben sich die drei mehr mit der Sängerin beschäftigt und sind nun selbst fast schon Fans. „Ich bin beeindruckt, dass sie für den Bond-Song einen Oscar bekommen hat“, sagt Jänisch.

Die Sängerin selbst haben die Künstler noch nicht getroffen. Immerhin haben sie Adele im Vorfeld bei der Generalprobe auf der großen Leinwand gesehen. „Das war für uns wie ein Privatkonzert.“ Und sie haben Konzertkarten für den 24. August, zu dem auch ihre Partnerinnen mitkommen. „Das war Teil des Deals“, sagt Holzapfel. Eine ordentliche Gage gab es auch, „die teilen wir superfair“.
Und dann hat er noch eine Idee. Er möchte ein von Adele signiertes Fotoporträt und ein signiertes Foto des Wandgemäldes für seinen 2018 mitgegründeten „Verein zur Förderung urbaner Kunst“ für soziale Zwecke versteigern. Vielleicht ist dann Gelegenheit für ein gemeinsames Foto mit dem Star. Das letzte der zehn Adele-Konzerte findet am 31. August statt.