Süddeutsche Zeitung

Gewerbegebiet Schorn:Radikales Umdenken gefordert

Neben einer Bürgerinitiative will nun auch der Starnberger Bund Naturschutz den Ausbau des Areals zum Hightech-Standort verhindern. Das Projekt würde die Stadt ohnehin überfordern

Von Peter Haacke, Starnberg

Gegen die Pläne der Stadt Starnberg, das Gewerbegebiet Schorn zu einem Hightech-Standort auszubauen, wächst der Widerstand: Nachdem sich bereits im Mai die "Bürgerinitiative Schorn" neu formiert hat und unter Führung von Biologin Ursula Lauer und Günter Schorn, dem Vorsitzenden der Kreisgruppe Starnberg des Bundes Naturschutz (BN), die Erweiterung vereiteln will, hat sich nun auch die Starnberger BN-Ortsgruppe gegen den Standort-Ausbau östlich des Autobahndreiecks gewandt. Sie fordert die "sofortige Einstellung aller Planungen von neuen Gewerbegebieten" - darunter Schorn sowie das "Unterbrunner Holz", ein umstrittenes Vorhaben der Gemeinde Gauting.

Die BN-Ortsgruppe Starnberg "betrachtet mit Sorge, dass das Gewerbegebiet Schorn schon so gut wie gesetzt erscheint", schreiben die beiden Ortsvorsitzenden Irmgard Franken und Jochen Iwan in einem sieben Seiten umfassenden Positionspapier. Die Erklärung wurde am Montag an Landrat Karl Roth sowie an alle Fraktionsvorsitzenden im Kreistag versandt. Nach Ansicht des BN sind noch nicht alle Voraussetzungen für den Ausbau geschaffen. Als größte Hürde gilt insbesondere die Zustimmung des Kreistags zur Herausnahme von Flächen aus dem Landschaftsschutzgebiet; insgesamt soll das Gewerbegebiet um 47 Hektar wachsen. "Und so lange hoffen wir, dass wir mit unseren Gegenargumenten die Entscheidungen im Sinne des Naturschutzes herumreißen können", so Franken und Iwan. Neben Landrat und Kreistag ging das Schreiben auch an die Wasserwirtschaftsämter Weilheim und München, die Regierung von Oberbayern, den Bürgermeister von Schäftlarn und die Starnberger Rathauschefin Eva John.

Die Argumentation der BN-Ortsgruppe berücksichtigt unter anderem die Aspekte Artensterben, Landwirtschaft, Flächenverbrauch, Wasserschutz, Arbeitsplätze, Infrastruktur und das "Harmonisierungsgebot": Angesichts ohnehin knappen Wohnraums in der Kreisstadt sei es sogar schädlich, weitere Arbeitsplätze zu schaffen, heißt es im Schreiben - eine Aufgabe, von der die Stadt überfordert wäre: "Wir sind der Meinung, dass Starnberg sich damit übernimmt", schreiben Franke und Iwan. Man müsse sich allein vor Augen führen, "wie in den letzten Jahren die angesparten Millionen verschwunden sind" - etwa für Westtangente und Schwimmbad. Der Ausbau einer zukunftsfähigen Infrastruktur oder die "Seeanbindung" würden noch weitaus mehr kosten, doch "dafür ist nichts angespart". Letztlich würde "ein Gewerbegebiet an dieser Stelle ( . . . ) diese Landschaft ganz einfach vernichten", heißt es. Stattdessen bedürfe es vielmehr "eines radikalen Umdenkens in der Politik", indem der Vorrang wirtschaftlicher Interessen verschwinden müsse. "Unser Lebensraum ist wichtiger als die Wirtschaft", schreiben die BN-Ortsvorsitzenden.

Im Stadtrat dürfte das Ansinnen des Bundes Naturschutz nur auf wenig Resonanz stoßen. Abgesehen von den Grünen, die sich ebenfalls vehement gegen den Ausbau von Schorn stemmen, und der SPD, die für ein drastisch abgespecktes Projekt votiert, setzt eine Mehrheit im Stadtrat auf Ausbau und Weiterentwicklung des Gewerbegebiets. Das Gremium billigte im März im Grundsatz eine Konzeption der Asto Campus Starnberg GmbH, die den Hightech-Standort in Schorn etablieren möchte, und beschloss die Aufstellung eines Bebauungsplans. Entscheidend für das Vorhaben ist aber - neben der Herausnahme von Gebieten aus dem Landschaftsschutzgebiet - auch die Verkehrsanbindung an das Gewerbegebiet. Vorgesehen ist ein Halbanschluss an die Autobahn A 95, eine konkrete Planung existiert bislang nicht.

Von der Gemeinde Schäftlarn dürfte wohl keine Unterstützung für das Vorhaben zu erwarten sein. Vor wenigen Wochen entschied sich eine Mehrheit im Bürgerentscheid für die kürzere Variante einer Umfahrung, die das Gewerbegebiet Schorn allerdings nicht tangiert. Unklar ist, ob der Bund Naturschutz Klage einreichen wird.

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SZ vom 18.06.2019
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