Gerichtsverhandlung:Dunst über der Cannabis-Plantage

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Belastungszeuge bringt im Prozess um die Kraillinger Marihuana-Aufzucht keine Klarheit

Von Michael Berzl, Krailling/München

Ein bulliger Typ mit breitbeinigem Gang, der seine Antworten auf Fragen des Richters manchmal geradezu herausbellt. Der einräumt, dass er Freunde bei den Hells Angels hat, der 50 000 Euro in bar als Teilhaber in einem Bordell bezahlt und der scharfe Schusswaffen besessen hat, diese aber abgeben musste. Und der behauptet, dass er Marihuana nicht von Brennnesseln unterscheiden könne. Das ist also der Hauptbelastungszeuge im Prozess um eine Cannabis-Plantage in Krailling. Zwei Männer im Alter von 30 und 36 Jahren sind vor dem Landgericht in München angeklagt; seit fast genau einem Jahr sitzen sie in Untersuchungshaft.

Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, dass sie in einem angemieteten Kellerraum in großem Stil Marihuana gezüchtet haben, um es später zu verkaufen. Mehr als 1200 Pflanztöpfchen sollen sie aufgestellt, gegossen und mit Speziallampen beleuchtet haben. Der Stromverbrauch muss immens gewesen sein. Nach Angaben des Vermieters ist immer noch eine Rechnung über 18 000 Euro offen; um diesen Betrag ging es in einem Zivilverfahren.

Der 60-Jährige, dem der Raum gehört, der vor drei Jahren mit großem Aufwand zur Plantage umfunktioniert worden war, sagte am Montag als Zeuge aus. Es dauerte keine fünf Minuten, bis Richter Anton Winkler sich zu einer Ermahnung veranlasst sah: "Märchen brauchen Sie mir hier nicht zu erzählen." Zuvor hatte er dem Mann aus Krailling deutlich gemacht, dass die zwei Angeklagten nicht zuletzt wegen seiner Aussage im Gefängnis säßen. Eine Stunde später dachte nicht nur einer der Verteidiger, sondern auch der Richter laut darüber nach, ob die Zeit gekommen ist, die Angeklagten aus der Haft in Stadelheim zu entlassen. Das macht deutlich, welchen Eindruck der Zeuge hinterließ.

Anfangs schilderte der 60-Jährige, wie er einen der Angeklagten durch seine finanzielle Beteiligung an einem Bordell an der Landsberger Straße kennengelernt habe. Später habe er einen Kellerraum vermietet, der eigentlich als Schießanlage dienen sollte. Auf einen Anruf von Eon hin wegen des plötzlichen enormen Stromverbrauchs habe er das Mietverhältnis dann beendet, davor aber noch ein Handyfoto von der Plantage gemacht. Bis dahin habe er nicht mitbekommen, was in seinem Keller geschieht. Überhaupt wisse er gar nicht, wie Marihuana aussieht: "Ich habe nichts zu tun mit dem Schmarrn", beteuerte er.

Die Angeklagten sehen das anders. Einer von ihnen hat ausgesagt, der 60-Jährige habe die Plantage bei ihnen in Auftrag gegeben. Im Lauf der Vernehmung wurde er immer einsilbiger und verweigerte, auch auf Anraten seines Anwalts, immer öfter die Aussage. Das darf ein Zeuge, wenn er sich selbst belasten würde. Und so erklärte Richter Winkler: "Das Gericht darf sich aber auch Gedanken machen, wozu jemand nicht aussagt."

So sind noch viele Fragen offen, drei weitere Verhandlungstermine sind angesetzt. Ein V-Mann der Polizei, der durch Tipps an das Rauschgiftdezernat die Ermittlungen in Gang gebracht hatte, konnte noch nicht vernommen werden. Als ein Sondereinsatzkommando anrückte, war schon alles abgebaut, ein einzelnes Marihuanablatt wurde noch entdeckt, berichtete ein Polizist zum Verhandlungsauftakt vor knapp drei Wochen. Einen Übungsraum neben dem Keller mit der Plantage habe er an den Gitarristen einer berühmten bayerischen Band vermietet, erzählte der Belastungszeuge am Montag.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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