Gericht:Schwere Vorwürfe gegen Arzt

Patient des Kardiologen stirbt nach Operation

Es sei alles planmäßig verlaufen, soll ein Arzt eines Krankenhauses im Landkreis Starnberg einer Frau versichert haben, deren Mann er am 6. März vorigen Jahres operiert hatte. Dem 60-Jährigen war ein Stent zur Versorgung der Herzkranzgefäße eingesetzt worden. Außerdem soll der behandelnde Arzt der Frau erklärt haben, dass der Reise, die sie mit ihrem Mann nach dessen Genesung machen wolle, nichts im Wege stehe. Doch dazu kam es nicht mehr. Gegen 21.30 Uhr am Abend des 6. März verschlechterte sich der Zustand des 60-Jährigen dramatisch. Er wurde eine Stunde lang reanimiert. Ohne Erfolg. Der Mann starb.

Seit Dienstag befasst sich die Arzthaftungskammer am Landgericht München II mit dem Fall. Die Witwe wirft dem behandelnden Arzt eine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht vor und fordert unter anderem Schmerzens- sowie Hinterbliebenengeld. Der Streitwert wurde vom Gericht auf knapp 66 000 Euro angesetzt. Zu einer Einigung beider Parteien kam es nicht. Bevor nun ein Urteil in dem Verfahren ergeht, wird das Gericht einen Sachverständigen anhören.

Der beklagte Kardiologe, der nicht nur diagnostiziert, sondern auch operiert, erklärte bei seiner Vernehmung am Dienstag, dass bei dem Patienten keine Bypässe mehr gelegt werden konnten. Es sei nur noch um den Versuch gegangen, die Herzkranzgefäße zu weiten. Die Arterie, mit der er sich bei der OP befasst habe, sei nicht mehr "bypassfähig" gewesen. Schon 2007 waren dem 60-Jährigen Bypässe eingesetzt worden. Zudem waren seine Herzkranzgefäße mit Stents versorgt worden. Sein Eingriff sei geplant verlaufen, sagte der beklagte Arzt. Seiner Ansicht nach lag die Verengung der Blutgefäße nach der OP bei etwa nur noch 30 Prozent. Als er am Morgen nach dem Eingriff gehört habe, dass sein Patient gestorben ist, sei er erschüttert gewesen, sagte der Kardiologe.

Der Vertreter der Witwe, Rechtsanwalt Stefan Schmitt, wirft dem Arzt vor, die "Schwere der Situation" bei der OP nicht erkannt zu haben. Ihm stelle sich die Frage, ob man den Patienten nicht hätte verlegen können. Diese Alternative habe der Operateur "offenbar gar nicht erkannt". Außerdem frage er sich, so der Anwalt, warum für den Eingriff nicht auch ein Herzchirurg hinzugezogen wurde. Deshalb müsse geklärt werden, ob sich der beklagte Arzt "außerhalb seines Fachbereichs begeben" habe. Eine Beantwortung dieser Frage könne nur ein Sachverständiger geben, befand der Vorsitzende Richter.

Unklar ist auch, ob der 60-Jährige vor der OP die Medikamente genommen hat, auf die er angewiesen war. Darunter insbesondere eines zum Verschluss von verletzten Blutgefäßen. Der Eingriff fand nicht unter Vollnarkose statt. Ihr Mann, so die Witwe, habe ihr deshalb vor seinem Tod berichten können, dass er gehört habe, wie der behandelnde Arzt zum OP-Personal gesagt habe: "Ich kenn' mich jetzt auch nicht mehr aus." Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters erklärte der beklagte Kardiologe: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das gesagt habe." Schließlich soll eine andere Ärztin hinzugezogen worden sein. Sie habe den Kardiologen angewiesen, wie die Stents zu setzen seien.

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