Süddeutsche Zeitung

Gericht:Rentnerin tritt auf Polizisten ein

Amtsgericht verurteilt 70-Jährige zu einer Geldstrafe

Von Christian Deussing, Starnberg

Der Streit zwischen den Eheleuten hatte sich über Wochen angekündigt, bis er eines Abends im vergangenen Jahr eskalierte. Laut Anklage schlug die damals alkoholisierte Frau, die auch unter Medikamenteneinfluss stand, ihrem Mann mit flacher Hand ins Gesicht und trat später zwei Polizisten in die Knie. Auch die alarmierten Sanitäter und ein Notarzt konnten die tobende Frau nicht beruhigen, so dass sie gefesselt werden musste. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung und tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte erhielt die 70-Jährige, die im westlichen Landkreis wohnt, einen Strafbefehl von 130 Tagessätzen zu 40 Euro. Doch die Angeklagte wollte vor dem Amtsgericht Starnberg die Geldstrafe in dieser Höhe nicht akzeptieren.

Die Tatvorwürfe räumte die Pensionärin allerdings ein. Sie wurde am Ende zu einer deutlich geringeren Geldstrafe von nur 90 Tagessätzen à 43 Euro verurteilt. Es tue ihr "wahnsinnig leid" und sie schäme sich für ihr Verhalten, ließ die Frau über ihre Verteidigerin erklären. Ihre Mandantin trinke seit dem Vorfall keinen Alkohol mehr und mache eine Langzeittherapie, an der auch ihr Mann teilnehme, berichtete die Anwältin. Es habe sich um eine alkoholbedingte Enthemmung und einen Zuckerschock gehandelt, die zur einer verminderten Schuldfähigkeit geführt hätten.

Dies konnte auch die Amtsrichterin nicht ganz ausschließen und berief sich hierbei auf zwei Polizisten, die in der Verhandlung den Vorfall in der Wohnung der Angeklagten geschildert haben. "Sie befand sich in einem Tunnel und war wohl nicht sie selbst gewesen", sagten die Beamten aus. Denn die Frau habe auch eine Blutentnahme und einen Zuckertest verweigert, so dass sie dazu gezwungen werden musste.

Die Richterin empfand die Reue und den Willen der Angeklagten, an sich zu arbeiten, als glaubwürdig. Zudem war die Frau nicht vorbestraft und bereit vor Gericht, sich bei den Polizisten zu entschuldigen und ihnen jeweils 500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beamten hatten die mit stockender Stimme vorgetragene Entschuldigung in der Verhandlung reserviert zur Kenntnis genommen, schließlich war diese erst eineinhalb Jahre nach der Attacke erfolgt. Was das Geldangebot angeht, durften die Polizisten die Summe nicht annehmen. Dies müsse dienstrechtlich geklärt werden, hieß es.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2019
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