Gericht:Mildes Urteil nach Riesentumult

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Zwei Jahre nach einem Großeinsatz der Polizei in einer Kraillinger Unterkunft steht ein Flüchtling in Starnberg vor Gericht. Der junge Mann wird zwar verurteilt, die Strafe fällt aber milde aus.

Von Christian Deussing, Krailling

Mit einem Verfahren vor dem Jugendgericht in Starnberg mehr als zwei Jahre nach einem Großeinsatz der Polizei in der Kraillinger Flüchtlingsunterkunft ist die juristische Aufarbeitung der Vorfälle nun abgeschlossen. Bei Kontrollen in der Containeranlage war es zu Tumulten, Rangeleien und Sachbeschädigungen gekommen. Mehrere junge Männer wurden vorübergehend festgenommen, ein damals 18-Jähriger Asylbewerber kam in Haft. Am Donnerstag stand er vor Gericht. Laut Anklage war er auf dem Weg zur Arbeit, als er von der Durchsuchungsaktion erfuhr und zu seiner im Container lebenden Familie zurückkehrte. Er hatte den Hausmeister, einen Angestellten und Polizisten angegriffen, sie mit dem Tod bedroht, beleidigt und verletzt.

Der Angeklagte gestand. Somit konnte das Verfahren, zu dem sieben Zeugen geladen waren, abgekürzt werden. Es kam zu einer Verständigung mit Staatsanwältin und Verteidiger. Verurteilt wurde der junge Mann wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung sowie tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu 120 Sozialstunden, die er aber nicht mehr ableisten muss. Die Strafe sei mit der dreiwöchigen Untersuchungshaft nach dem Vorfall abgegolten, erklärte das Gericht.

Die Staatsanwältin hatte dem Angeklagten vorgeworfen, den Hausmeister an der Schulter gepackt, einen Verwaltungsmitarbeiter gegen eine Wand gedrückt und einen Polizisten angegriffen zu haben. Der heute 20-Jährige räumte die Vorwürfe ein. "Es war ein großes Missverständnis, mein Verhalten aber natürlich nicht richtig und es tut mir leid", entschuldigte sich der junge Mann.

Das milde Urteil begründete Jugendrichter Ralf Jehle nicht nur damit, dass sich der Angeklagte seither vorbildlich verhalten habe, der Richter betonte auch, dass der Asylbewerber auch beruflich auf einem guten Weg sei. Der 20-Jährige hat seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann erfolgreich abgeschlossen. Jehle berücksichtigte zudem dessen Fluchterfahrungen und dass der "Alltag in Gemeinschaftsunterkünften beschwerlich und alles andere als lustig" sei.

Auf die beengten Verhältnisse und Konflikte in den Unterkünften verwies auch der Jugendgerichtshelfer. Er bestätigte, dass der Flüchtling schnell Deutsch gelernt habe und einen ernsthaften Willen zeige, sich zu integrieren. Der Angeklagte habe eine positive Entwicklung genommen. Das hob besonders auch der Verteidiger hervor. Er dankte der Staatsanwaltschaft und dem Gericht für die rechtliche Einigung, die den Aufenthaltsstatus seines Mandanten nicht gefährde.

Im Frühjahr war die Schwester des Angeklagten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden, weil sie damals versucht hatte, die Festnahme ihres Bruders mit Gewalt zu verhindern. In dem Tumult hatte sich deren Mutter einen Arm gebrochen. Ermittlungen gegen einen Polizisten und gegen neun Flüchtlinge wurden eingestellt.

© SZ vom 07.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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