Kunst, Politik und Wissenschaft:"Doch schuldig bin ich anders, als ihr denkt"

Lesezeit: 3 Min.

Für Gerd Holzheimers neues Buch "Über die Schwelle" hat ihm Renate Haushofer auch das Privatarchiv der Familie Haushofer geöffnet. (Foto: Nila Thiel)

Die Haushofers vom Hartschimmelhof in Pähl haben über Generationen hinweg das gesellschaftliche Leben in Bayern mitbestimmt. Der Autor Gerd Holzheimer hat nun das Privatarchiv gesichtet - und dabei die Biografie einer Familie zusammengetragen, bei der Glanz und Abgrund nah beieinander liegen.

Von Katja Sebald, Pähl

"Über die Schwelle" heißt das Buch, das der Historiker und Literaturwissenschaftler Gerd Holzheimer über die Familie Haushofer geschrieben hat. Es ist nicht die Schwelle der sogenannten Villa auf dem Hartschimmelhof in Pähl, dem Familiensitz der Haushofers, die auf dem Buchtitel abgebildet ist, sondern das uralte Portal des Münsters auf der Fraueninsel mit der tief ausgetretenen Schwelle.

Die Hochzeit des Malers Max Haushofer mit der Tochter des Lindenwirts von Frauenchiemsee Anna Dumbser, die 1838 im Inselmünster stattfand, stellt für Holzheimer den Beginn der Geschichte der Familie Haushofer in Kunst, Wissenschaft und Politik dar. Die Geschichte seines Buchs aber nahm am Tisch von Renate Haushofer in der Villa auf dem Hartschimmelhof ihren Anfang - und an diesen Tisch hatte er am Dienstagnachmittag zur Buchvorstellung gebeten.

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In der Familie Haushofer traten vom 19. Jahrhundert an über fünf Generationen hinweg Frauen und Männer hervor, die maßgeblich am künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Leben in Bayern beteiligt waren. Der 1811 geborene erste Max Haushofer sollte als Landschaftsmaler zum Begründer einer Künstlerkolonie auf der Fraueninsel im Chiemsee werden. Sein älterer Sohn Karl wurde Professor für Mineralogie und später Direktor der Technischen Hochschule (TH) München.

Seine Leidenschaft für Gesteine ging einher mit der Liebe zu den Bergen. Als Mitbegründer des Deutschen Alpenvereins soll er während einer Versammlung aus dem Teig einer Semmel das Edelweiß modelliert haben, das sich bis heute im DAV-Logo findet. Der jüngere Sohn Max lehrte als Professor der Nationalökonomie und Statistik ebenfalls an der TH München. Zu seinen begeisterten Studenten gehörte auch Thomas Mann, der seinem Lehrer später in dem Roman "Königliche Hoheit" ein literarisches Denkmal setzte. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verfasste Max Haushofer Gedichte, Dramen, Kurzgeschichten und Romane. In zweiter Ehe war er mit der Schriftstellerin Emma Merks verheiratet, die eine der Protagonistinnen der Münchner Frauenbewegung war.

Max Haushofer wurde als Landschaftsmaler zum Begründer einer Künstlerkolonie am Chiemsee. (Foto: Nila Thiel)
Max Haushofer junior lehrte als Professor der Nationalökonomie und Statistik an der Technischen Hochschule München. (Foto: Nila Thiel)

Zur nächsten Generation gehörte die Malerin und Schriftstellerin Marie Haushofer, deren Leben ein tragisches Ende fand: Sie fürchtete, lebensbedrohlich erkrankt zu sein. Und weil sie niemandem zur Last fallen wollte, ertränkte sie sich 1940 in der Isar. Ihr älterer Bruder Karl Haushofer war hochdekorierter Offizier im Ersten Weltkrieg, später Universitätsprofessor für Geografie und Geopolitik. Er stand in engem Kontakt mit führenden Nationalsozialisten wie Rudolf Heß, der sein Student und zeitweilig sein Assistent war.

Holzheimer untersucht im Kapitel über Karl Haushofer sehr differenziert, inwieweit dieser mit seinen wissenschaftlichen Thesen von der geopolitischen Expansion die Kriegspolitik der Nationalsozialisten beeinflusste. Karl Haushofer war verheiratet mit Martha Mayer-Doss, die aus einer vermögenden jüdischen Familie stammte. Als "Stellvertreter des Führers" stellte ihr Rudolf Heß persönlich einen Schutzbrief aus, in dem er "jede Behelligung" verbot.

Familiensitz der Haushofers: die Villa auf dem Hartschimmelhof in Pähl. (Foto: Nila Thiel)

Der 1903 geborene Albrecht Haushofer, der wie sein Vater Geopolitik lehrte und ebenfalls von Heß protegiert wurde, nahm 1938 als geografischer Sachverständiger an der "Münchner Konferenz" teil. Er hoffte lange, durch seine Arbeit für das Regime einen Krieg in Europa abwenden zu können. Als er erkannte, dass es dafür zu spät war, suchte er die Nähe zum Widerstand.

Holzheimer, der Haushofers Briefe und ein Notizbuch aus dem Jahr 1944 auswertete, kommt zu dem Ergebnis, dass er maßgeblich an der Planung des Attentats auf Adolf Hitler beteiligt war. Nach Monaten auf der Flucht und in verschiedenen Verstecken, unter anderem in der Kirche und in einem Stadel in Machtlfing, wurde er im Dezember 1944 verhaftet. Im Wissen um den nahenden Tod verfasste er im Gefängnis an der Lehrter Straße in Berlin die "Moabiter Sonette", eine Sammlung von achtzig Gedichten, die sein Vermächtnis werden sollten und heute als bedeutendes literarisches Zeugnis für den Widerstand gelten.

Originalzeichnungen und Verse von den Gebrüdern Karl und Max Haushofer aus dem 19. Jahrhundert. (Foto: Nila Thiel)

Am 23. April 1945, unmittelbar vor der Befreiung Berlins durch die Alliierten, wurde er zusammen mit anderen Häftlingen von einem SS-Kommando erschossen. Sein Bruder Heinz fand den Toten drei Wochen später, in der Manteltasche die vier eng beschriebenen Blätter mit den Gedichten. Im 39. der Moabiter Sonette klagt Haushofer sich unerbittlich selbst an: "Doch schuldig bin ich anders, als Ihr denkt, / Ich mußte früher meine Pflicht erkennen, / Ich musste schärfer Unheil Unheil nennen...".

Holzheimer berichtet auch vom Freitod der Eltern von Albrecht Haushofer im Jahr 1946. Er erzählt die Geschichte dieser Familie, in der Glanz und Abgrund so nah beieinander liegen, weiter bis in die Gegenwart und bis an den Tisch von Renate Haushofer in der Villa auf dem Hartschimmelhof. Hier hatte ihm die Witwe von Martin Haushofer, dem Urenkel des Malers Max Haushofer, auch das umfangreiche private Familienarchiv geöffnet. Das Buch ist nun rechtzeitig zum 100-jährigen Bestehen eben des Hauses erschienen, das einst Karl Haushofer und seine Frau Martha von den Schwiegereltern als Hochzeitsgeschenk bekommen hatten.

Das Buch "Über die Schwelle. Die Familie Haushofer in Kunst, Wissenschaft, Politik" von Gerd Holzheimer ist soeben im Allitera-Verlag erschienen und kostet 24 Euro.

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