Geothermie:Eine Frage des Preises

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Bei Geretsried wird schon die Wärme aus der Tiefe erschlossen: Der Bohrplatz bei der feierlichen Einweihung im August 2023.
Bei Geretsried wird schon die Wärme aus der Tiefe erschlossen: Der Bohrplatz bei der feierlichen Einweihung im August 2023. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nach der Absage der Gilchinger Gemeindewerke stehen dem Bohr-Unternehmen Preisverhandlungen mit weiteren möglichen Abnehmern für Erdwärme bevor. Die Gespräche dürften nicht einfach werden, denn es geht um immense Investitionen und Renditeaussichten.

Von Michael Berzl, Gauting

Ein überfüllter Sitzungssaal in Gauting in der vergangenen Woche, etwa 250 Zuhörer bei einer Informationsveranstaltung in Gilching im Februar: Das Interesse am Thema Geothermie ist groß. Allerdings weicht der anfänglichen Euphorie die Ernüchterung: Denn noch immer steht nicht fest, wann endlich gebohrt wird im Unterbrunner Holz. Wann die Wärme aus der Tiefe zum Heizen zur Verfügung steht. Die Absage der Gemeindewerke in Gilching nach gescheiterten Preisverhandlungen wirft weitere Fragen auf. Einige Antworten:

Wie funktioniert Geothermie?

Es ist geradezu ein geologischer Glücksfall, dass im Molassebecken zwischen Donau und Alpen in etwa 3000 Meter Tiefe bis zu 100 Grad heißes Wasser zu finden ist. Damit lassen sich Häuser heizen, ohne Gas oder Kohle zu verbrennen. Um die Erdwärme zu erschließen, sind zwei Bohrungen in die Tiefe nötig, eine sogenannte Dublette. In einem Rohr wird das Thermalwasser an die Oberfläche geholt, in dem zweiten Rohr wird es wieder nach unten gepumpt. Als "Leuchtturmprojekt" und "einmalige Chance" lobte der Gautinger Wirtschaftsförderer Fabian Kühnel-Widmann die Technologie. Der vorgesehene Bohrplatz liegt in der Nähe des Sonderflughafens Oberpfaffenhofen an der Unterbrunner Umgehungsstraße auf Kraillinger Gemeindegebiet. Von dort aus soll die Energie mithilfe von Wärmetauschern, Übergabestationen und langen, gut isolierten Leitungen in die Haushalte transportiert werden. Weiter transportiert wird die Wärme, nicht das Wasser.

Wer ist an dem Projekt der Asto-Gruppe beteiligt?

Von Beginn an ist die Asto-Gruppe von Bernd Schulte Middelich mit Sitz in Gilching die treibende Kraft, nachdem das Unternehmen vor mehr als acht Jahren die bergrechtliche Erlaubnis zur Erschließung von Erdwärme beim Wirtschaftsministerium beantragt hatte. Inzwischen ist ein Geflecht von Firmen entstanden, die von Planung bis Betrieb unterschiedliche Aufgaben übernehmen sollen. Ein wichtiger Akteur ist die Silenos Energy, eine Tochter des österreichischen Baukonzerns Strabag. Extra gegründet wurde ein Unternehmen mit dem sperrigen Namen "Silenos Energy Geothermie Gauting Interkommunal GmbH & Co. KG"; Firmensitz ist die Adresse der Strabag in Köln. Beteiligt sind außerdem die Geowissenschaftler der Münchner Firma Erdwerk. Die Kraftwärmeanlagen Contracting AG (KWA) aus Stuttgart, die zu den Stadtwerken Schwäbisch Hall gehört, soll in Gauting das Netz betreiben. Die Gemeinde Weßling wiederum ist deswegen mit dem Energieversorger Erdgas Südbayern (ESB) im Gespräch, sagte der Bürgermeister Michael Sturm der SZ. Die ESB betreibe bereits zwei Energiezentralen mit Nahwärmeversorgung beim Marriot-Hotel in der Nähe von Asto-Park und DLR sowie an der Dornierstraße beim Gilchinger Gewerbegebiet Süd. Eine DLR-Sprecherin wollte sich zu der Kooperation auf Nachfrage nicht äußern.

Bernd Schulte-Middelich, Geschäftsführer der Asto-Gruppe, ist ein erfahrener Immobilienentwickler. Das Geothermie-Projekt erweist sich als besonders schwierig.
Bernd Schulte-Middelich, Geschäftsführer der Asto-Gruppe, ist ein erfahrener Immobilienentwickler. Das Geothermie-Projekt erweist sich als besonders schwierig. (Foto: Arlet Ulfers)

Wie hoch sind die Kosten?

Die Erschließung von Erdwärme ist ein teures Unterfangen, denn gerade anfangs sind immense Investitionen nötig. Für eine Dublette seien 25 bis 35 Millionen Euro zu veranschlagen, bestätigte Bernd Schulte-Middelich. Vom Bund gibt es dazu eine Förderung in Höhe von 40 Prozent. Pro Kilometer Fernwärmeleitung sind außerdem laut Patrick Schulte-Middelich etwa 1,5 bis 2,2 Millionen Euro zu veranschlagen. Die Entfernung zu Abnehmern ist demnach ein erheblicher Kostenfaktor. Die hohen Anfangsinvestitionen seien „durchaus herausfordernd“, räumt Silenos-Geschäftsführer Felix Koselleck ein.

Wie viel müssen die Kunden bezahlen?

Etwas mehr als für Gas, so viel steht wohl fest. Wie hoch der Preis für Energie aus Geothermie aber nun sein wird, wurde aber weder beim Infoabend in Gilching noch im Gautinger Gemeinderat in der vergangenen Woche genannt. Kein Wunder, denn die Kosten pro Kilowattstunde sind genau der Punkt, der zwischen Bohrfirma und möglichen Abnehmern gerade hart verhandelt wird. Immerhin eine Größenordnung wurde in Gauting genannt. Patrick Schulte-Middelich berichtete von einer bayernweiten Studie, wonach die Preise für die Endkunden bei 12,3 bis 19,3 Cent pro Kilowattstunde liegen. Der Gaspreis liegt um die zehn Cent. Ein Umstieg auf Geothermie kann sich finanziell lohnen, wenn man davon ausgeht, dass deren Preis weitgehend stabil bleibt, während fossile Rohstoffe ziemlich sicher teurer werden.

Wie geht es nach der Absage aus Gilching weiter?

Die Verhandlungen zwischen Vertretern der Gilchinger Gemeindewerke und der Strabag waren "intensiv", wie danach von beiden Seiten zu hören ist. Das kann auch ein diplomatischer Ausdruck für schwierig bis unerfreulich sein. Im Januar haben die Gilchinger die Gespräche einseitig beendet, der Preis pro Kilowattstunde erschien ihnen zu hoch. Zahlen wurden aber auch bei einer Informationsveranstaltung im Februar im Gilchinger Rathaus nicht genannt, zu der etwa 250 Zuhörer gekommen waren. Die Verhandlungspartner haben Verschwiegenheitserklärungen unterschrieben, berichtete Bürgermeister Manfred Walter. Gemeindewerk-Vorstand Klaus Drexler erklärte jedoch, eine Zusammenarbeit sei "unter den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht realisierbar". Kurzum: Das Silenos-Angebot ist ihm zu teuer.

Für Strabag und Silenos ist die Absage unangenehm, schließlich wären die Gemeindewerke ein idealer Abnehmer. Denn dort ist schon viel passiert: Auf einer Länge von zehn Kilometern liegen isolierte Rohre in den Gilchinger Straßen, mehr als tausend Wohnungen hängen an den Fernwärmeleitungen, das Netz wird permanent ausgebaut. Andere Gemeinden sind da noch lange nicht so weit. "Kein Meter Netz" liege in Gauting und Weßling, sagte Bürgermeister Walter. Das stimmt nicht ganz, denn in Gauting ist nach Angaben des dortigen Wirtschaftsförderers Fabian Kühnel-Widmann immerhin ein kleines Gewerbegebiet, der Handwerkerhof, auf Fernwärme vorbereitet.

(Foto: SZ-Grafik)

Bernd Schulte-Middelich räumt im Gespräch mit der SZ ein: „Gilching wäre ein toller Partner für den Anfang“. Und sein Sohn Patrick räumte in der Sitzung des Gautinger Gemeinderats ein: "Das ist nicht schön für uns alle." Einstweilen suchen sie nach anderen Großabnehmern und sind nach eigenen Angaben im Gespräch mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen und der Asklepios-Klinik am Rand von Gauting.

Wie geht es in Gilching nach der Absage weiter?

Die Gemeindewerke in Gilching machen nun auf eigene Faust weiter und liefern von einer Heizzentrale am Rand von Argelsried Fernwärme. In den nächsten Jahren soll ein neues Heizkraftwerk errichtet werden, das dann mit Hackschnitzeln aus der Region befeuert wird. Währenddessen wird das Fernwärmenetz weiter ausgebaut.

Es ist nicht lange her, da herrschte in Gilching Aufbruchstimmung wegen der guten Aussichten auf umweltfreundliche Wärme aus der Tiefe. Obwohl ein Baubeginn noch gar nicht in Sicht war, lautete die zentrale Frage vor allem, wann endlich der Anschluss in der Straße liegt. Nun macht sich Enttäuschung breit, denn die Wärme entsteht weiterhin aus der Verbrennung von Holzpellets und kommt nicht aus der Tiefe der Erde. "Das war nicht Sinn der Sache", sagte ein Hausbesitzer beim Infoabend. Der Anwohner hatte zuvor nach eigenen Angaben eine funktionierende Gasheizung demontiert, um auf eine ökologisch sinnvollere Versorgung umzustellen.

Wie lange dauert es noch, bis die Erdwärme verfügbar ist?

Schwer zu sagen. Der Bohrplatz ist gesichert, es wurde kartiert und vermessen, der Baugrund begutachtet und auf Altlasten untersucht. Der Hauptbetriebsplan liegt vor, Bundesförderung für effiziente Wärmenetze ist beantragt. Asto-Chef Bernd Schulte Middelich berichtet dem Gautinger Gemeinderäten regelmäßig, wie es vorangeht und gibt sich dabei stets optimistisch und zuversichtlich. Und das auch nach Rückschlägen: So musste der ursprünglich vorgesehene Bohrplatz im Unterbrunner Holz aufgegeben werden, weil sich dort ein Wasserschutzgebiet befand. Später mussten für die seltene Haselmaus extra Nistkästen in die Bäume gehängt werden. Nun sind die Gilchinger Gemeindewerke als potenzieller Abnehmer abgesprungen. Aber Schulte-Middelich beteuert: „Wir machen weiter.“ Doch alles dauert länger als gedacht, der Start der Wärmeversorgung musste schon mehrfach nach hinten verschoben werden. Mittlerweile ist von einem Liefertermin im Winter 2027/2028 die Rede, KWA-Vorstand Jochen Link rechnet nicht vor Herbst 2028 damit. Die bergrechtliche Genehmigung für den sogenannten Claim ist jeweils befristet und läuft Ende März aus. Eine Verlängerung ist beantragt. Angesichts der aktuellen Probleme spottete der Gautinger Grünen-Fraktionssprecher Matthias Ilg: "Was kommt eher: Nordstream 2 oder Geothermie aus Gauting?"

Etwa 3000 Meter muss das Bohrgestänge in die Tiefe getrieben werden. Das verursacht immens Kosten. Dieser Bohrturm steht in Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern.
Etwa 3000 Meter muss das Bohrgestänge in die Tiefe getrieben werden. Das verursacht immens Kosten. Dieser Bohrturm steht in Neustadt-Glewe in Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Klappt das überhaupt noch mit der Geothermie?

Das kommt darauf an. Im Moment steht das Unternehmen, das in Gilching, Weßling und Gauting gerne Erdwärme verkaufen möchte, vor dem Dilemma, dass es in Vorleistung gehen und eine Menge Geld ausgeben muss, aber noch keine Kunden hat. Abnehmer wiederum sind nur zu attraktiven Preisen zu gewinnen. Aus Gilchinger Sicht jedenfalls waren die bisherigen Preisvorstellungen nicht attraktiv. Weitere Gespräche mit wem auch immer dürften nicht einfacher werden. Wichtig wären jetzt „Ankerkunden“, also Großabnehmer wie DLR und Asklepios-Klinik. Das Signal aus Gauting ist in der Hinsicht eindeutig: „Genauso wie für die Gemeindewerke Gilching gilt auch für Geothermie Gauting: Nur marktübliche Preise werden vom Endkunden akzeptiert“, erklärt der Standortförderer Kühnel-Widmann. Auch in Weßling stehen die Preisverhandlungen erst bevor. „Wir haben großes Interesse, wenn der Preis stimmt“, sagt auch Bürgermeister Sturm.

Je geringer aber die Einnahmen ausfallen, desto länger wird es dauern, bis sich Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe für eine Bohr-Dublette rentieren. Es ist davon auszugehen, dass die Strabag nur investiert, wenn die Rechnung für das Unternehmen aufgeht. KWA-Vorstand Link erklärte per Video-Schalte aus Stuttgart im Gautinger Gemeinderat: „Wir brauchen eine gewisse Quote, damit das Netz sich rechnet.“ Er beteuerte aber auch: „Wir glauben, dass es sich lohnt, den Schatz in der Erde zu heben. Wir glauben auch, dass wir da zu einer Lösung kommen.“

Geothermie ist Thema bei einer Informationsveranstaltung der Energieagentur der Landkreise Starnberg, Landsberg und Fürstenfeldbruck am kommenden Mittwoch, 26. März, im Gautinger Rathaus. "Klima³" und das Ingenieurbüro Greenventory informieren von 19 Uhr an über die kommunale Wärmeplanung, Besucher können sich an Informationsständen beraten lassen.

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