Süddeutsche Zeitung

Georg Malterer:"Es wird eine Zeit nach Corona geben"

Der Virologe und neue Bürgermeister spricht darüber, dass sich Bernried das Feiern nicht verhageln lässt, das 900-Jahr-Fest nachholt und begonnene Projekte fortführt

Interview von Sylvia Böhm-Haimerl, Bernried

Georg Malterer löst am 1. Mai den langjährigen Bernrieder Bürgermeister Josef Steigenberger ab. Als Gemeinderat und Dritter Rathauschef konnte sich der Bewerber der ÜFW (überparteiliche und freie Wählergruppe) gut auf sein neues Amt vorbereiten, zumal er der Wunschkandidat seines Vorgängers ist. Steigenberger wird ihn auch den kommenden Wochen unterstützen. Die SZ sprach mit Malterer über seine neuen Aufgaben und seine Wünsche für die Zukunft.

SZ: Wie läuft es gerade im Home-Office mit Ihrer Familie?

Georg Malterer: Wir haben uns gut mit der Situation arrangiert. Wir gehen unsere Arbeitstage als Familie strukturiert an, wir essen gemeinsam und versuchen für ausreichend Bewegung an der frischen Luft zu sorgen. Gegen Abend nehmen wir uns bewusst Zeit für Kinder und Familie.

Müssen Sie noch in Ihrem alten Job arbeiten?

Meinen letzten Arbeitstag habe ich am 30. April. Ich habe also am 1. Mai einen recht nahtlosen Übergang in mein neues Amt. Allerdings habe ich meine letzten Arbeitswochen beim TÜV Süd durch ein paar Urlaubstage und den Abbau von Überstunden etwas aufgelockert. Damit gewinne ich auch die Zeit, um mich auf meine neuen Aufgaben vorzubereiten.

Wie fühlt es sich an, das Bürgermeisteramt ausgerechnet in der Corona-Krise anzutreten?

Weil ich mir den Zeitpunkt des Amtsantrittes ja nicht aussuchen kann, nehme ich die Krise einfach als die aktuelle Herausforderung dieser Zeit an. Corona zeigt uns ja auch, was in unserer Dorfgemeinschaft alles gut funktioniert, etwa die Nachbarschaftshilfe. Ich bin zuversichtlich, dass es bald eine Zeit nach Corona geben wird.

Wegen Corona wurde Ihr Bürgermeisterseminar abgesagt. Wie bereiten Sie sich jetzt vor?

Die Seminare sind ja nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Aktuell kommt mir zugute, dass ich bereits zwölf Jahre Erfahrung im Gemeinderat und sechs Jahre als stellvertretender Bürgermeister und Leiter des Bauausschusses habe. Vor allem kann ich mich auch auf die Unterstützung und Beratung von Josef Steigenberger verlassen. Außerdem vertiefe ich mich in die einschlägigen Gesetze und Vorschriften und knüpfe Kontakte.

Sie sind Biologe und Virologe. Kommt Ihnen diese Berufserfahrung jetzt bei der Krisenbewältigung zugute?

Es hilft mir dabei, das Thema sachlich und angstfrei zu betrachten. Ich schaue mir täglich die Zahlen und Entwicklungen auf den Seiten der WHO und des Robert-Koch-Instituts an und versuche, daraus meine Schlüsse und Prognosen abzuleiten. Natürlich bedauere ich die vielen schwer Erkrankten und Toten. Stark beschäftigen mich aber inzwischen auch die Überlegungen zur Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise.

Der diesjährige Haushalt umfasst Investitionen in Millionenhöhe. Gleichzeitig ist wegen der Pandemie mit hohen Einbußen bei der Gewerbe- und Einkommensteuer zu rechnen. Machen Sie sich Sorgen?

Wir können bisher noch nicht beziffern, wie hoch eventuelle Ausfälle für unsere Gemeinde tatsächlich sein werden. Im Verwaltungshaushalt werden uns vermutlich Einnahmen fehlen, die dann leider auch nicht durch Mittel des Kommunalen Finanzausgleichs kompensiert werden können. Die geplanten Investitionen sind aber in erster Linie im Vermögenshaushalt abgebildet. Damit sind sie, abgesehen von den Zuführungen aus dem Verwaltungshaushalt, erst mal weitgehend unabhängig von den genannten Steuerarten.

Biologe und Feuerwehrmann

Georg Malterer wurde am 25. Februar 1977 geboren und lebt seither in Bernried. Nach dem Abitur 1997 und dem Wehrdienst in Mittenwald und Murnau studierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Biologie. Seine Doktorarbeit schrieb er über einen molekularen Mechanismus, mit dem ein Virus seine menschliche Wirtszelle beeinflussen kann. Nach seiner Promotion arbeitete er für mehrere Firmen im Pharmabereich. Aktuell ist er noch beim TÜV Süd als Auditor beschäftigt, wo er unter anderem an der Zertifizierung von Produkten und Qualitätsmanagementsystemen für Hersteller von Labortests beteiligt ist. Malterer ist seit 2011 mit einer promovierten Bakteriologin verheiratet und hat zwei Töchter, Antonia (sechs Jahre) und Marlene (drei Jahre). Der 43-Jährige ist fest verwurzelt in Bernried. Seit frühester Jugend ist er bei der Feuerwehr aktiv und in der Jungen Mannschaft. Die Kommunalpolitik wurde ihm gleichsam in die Wiege gelegt. Schon sein Vater war Gemeinderat und Zweiter Bürgermeister in Bernried gewesen. Er selbst ist seit sechs Jahren Dritter Bürgermeister und Baureferent. Für das Bürgermeisteramt konnte er daher bereits Erfahrung sammeln. SBH

Wollen Sie Einsparungen vornehmen, und wenn ja, an welcher Stelle?

Da wir bisher keine Prognosen über Ausfälle bei unseren Einnahmen machen können, ist es auch nicht sinnvoll, jetzt über Einsparungen zu reden. Ein mögliches Szenario könnte aber vielleicht sein, die Zeiträume für Investitionen zu strecken, ohne die Investitionen selbst in Frage zu stellen. Aber auch das ist nicht im Gespräch.

Welche ersten Schritte haben Sie für die kommenden Wochen geplant?

Neben der Einarbeitung sind mir die Antritts- und Austauschgespräche zum Auf- und Ausbau von guten Beziehungen besonders wichtig: im Rathaus, mit den Bernrieder Institutionen, mit Mitbürgerinnen und Mitbürgern im Dorf und mit allen, mit denen ich in Zukunft zusammenarbeiten werde.

Was wollen Sie als Erstes in Angriff nehmen? Haben Sie für die Zeit nach der Corona-Krise eine mittelfristige Prioritätenliste?

Der eben verabschiedete Haushalt bildet bereits die kontinuierliche Weiterentwicklung unseres Dorfes ab. Wir werden daher zunächst die begonnenen Projekte fortführen und weiterentwickeln, also die Erweiterung der Kinderbetreuung, das betreute Wohnen am Grundweiher, die Ersatzbeschaffung von Feuerwehrfahrzeugen und die Erweiterung der Schule. Es stehen aber auch eine Menge weiterer Projekte an, zum Beispiel ISEK, also integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte, Fairtrade-Gemeinde sowie die Klimaschutz- und Biodiversitätsprojekte.

Eine Ihrer ersten Amtshandlungen wäre die Eröffnung der Feierlichkeiten zum 900-jährigen Bestehen des Klosterdorfs Bernried gewesen. Das wurde nun abgesagt. Wie geht es weiter?

Ja, schade. Darauf habe ich mich gefreut. Eigentlich habe ich mich auch auf die öffentliche Übergabe des Rathausschlüssels zum 1. Mai am Maibaum gefreut, verbunden mit der Möglichkeit, mich gleich einmal mit vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern am Maifest auszutauschen. Aber wir werden uns das Feiern durch Corona nicht langfristig verhageln lassen. Es wird eine Zeit nach Corona geben. Sobald es wieder möglich ist, werden wir im Dorf wieder Feste veranstalten - und die große 900-Jahr-Feier wird einfach um ein Jahr verschoben.

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Quelle:
SZ vom 22.04.2020
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