Süddeutsche Zeitung

Gelungene Gebäudesanierung:Das Haus als Kunstwerk

Lesezeit: 3 min

Der 43-jährige Maler Jan Davidoff renoviert ein historisches Anwesen am Westufer des Ammersees. Vom Schondorfer Kreis für Kultur und Landschaftspflege wird er dafür mit dem Gestaltungspreis ausgezeichnet.

Von Ute Pröttel, Schondorf

Gelungen ist Jan Davidoff schon einiges in seinem Leben. Der 43-jährige Maler ist von München aus sehr erfolgreich in der internationalen Kunstszene unterwegs. In den vergangenen zwei Jahren hat er sich neben der Malerei noch einem ganz besonderen Kunstwerk gewidmet: Der Renovierung eines historischen Anwesens am Westufer des Ammersees. Mit viel Respekt für die alte Bausubstanz hat Davidoff mit einem Team handverlesener Handwerker dem ehemaligen Anwesen der Familie Cornelius etwas außerhalb von Schondorf neues Leben eingehaucht. Der Schondorfer Kreis für Kultur und Landschaftspflege ehrt ihn dafür. Bereits zum dritten Mal wird der Gestaltungspreis für gelungene Gebäuderenovierung in Form der Plakette "gelungen" übergeben.

Davidoffs großformatige Bilder werden allerdings auch in Zukunft in seinem Münchner Atelier entstehen. Im ehemaligen Stall seines neuen Hauses, dessen Scheunentor durch eine große Glasfront ersetzt wurde und viel Licht von Süden in den bis zum Giebel offenen Raum fluten lässt, steht dennoch eine Werkbank die über und über mit Utensilien beladen ist ebenso wie ein voller Schreibtisch in der hinteren Ecke des Raums. Auf der Staffelei daneben steht ein Werk seiner jüngsten Serie Relictum, die aktuell in der Münchner Galerie Andreas Binder zu sehen ist. "Wenn ich hier überhaupt zum Arbeiten komme", erzählt er während er das Bild mit dem türkisfarbenen Hintergrund von der Staffelei nimmt und einen prüfenden Blick darüber gleiten lässt, "dann sind das eher Vorarbeiten oder nochmals letzte Feinheiten."

Wie ein expressionistischer Holzschnitt prangt eine sehr grafisch reduzierte Sonnenblume in der Mitte des Bildes. Sie steht in spannendem Kontrast zum glänzenden Hintergrund. Davidoff kombiniert in seiner künstlerischen Arbeitsweise Fotografie und Malerei. Aus seinem gesammelten Fotomaterial entwirft er im Atelier Bildskizzen, die er sodann in großformatigen Arbeiten umsetzt. Waren das in früheren Serien Erinnerungsmomente von Reisen in ferne Länder oder auch Bilder in denen Menschen auftauchten, so fällt in dieser jüngsten Serie eine Hinwendung zur Natur auf.

"Klar wirkt sich der Umzug aufs Land auch auf meine künstlerische Tätigkeit aus", gesteht er. Bewohnt wurde das zum Schluss stark verfallene Anwesen zwei Generationen lang von der Familie des Althistorikers Friedrich Cornelius. Ihm gelang als erstem die genaue Berechnung der Regierungszeit von Hammurabi, König von Sumer und Akkad, auf Grund der Entschlüsselung von Keilschrifttexten mit astronomischen Beobachtungen.

Beim Entrümpeln des Anwesens, erzählt Davidoff, seien ihm unendlich viele Bücher und poetische Schriften in die Hände gefallen. Einen Teil davon hat er in Rauminstallationen verarbeitet. So baute er etwa aus den alten nicht mehr brauchbaren Bodendielen die "Kammer eines unbekannten Poeten", in der Lesungen zu den im Dachboden aufgefundenen Textstücken stattfanden.

Seinen kreativen Gegenpart für die Renovierung fand Jan Davidoff in dem Dießener Handwerker Chris Gänzdorfer. Er ist auf Sumpfkalk-verputze Gebäude und Ökologie am Bau spezialisiert. Zusammen mit dem Münchner Architekt Andreas Ferstl und Chris Gänzdorfer findet Davidoff für jedes Problem die passende Lösung. Um mehr Raumhöhe zu gewinnen wird beispielsweise der Fußboden in der Wohnküche abgesenkt. Alte Laibungen werden nicht etwa begradigt, sondern ausgebessert und bleiben in ihrer Struktur erhalten ebenso wie die Raumaufteilung im Haus. Und selbst von einer während der Renovierung auf breiter Front eingestürzten Hauswand lassen sie sich nicht entmutigen.

"Die Grundsubstanz war zwar stark verfallen", berichtet Ferstl, "aber hochwertig". Das genaue Entstehungsdatum des Hauses kann er nicht datieren. Im Kataster, das seit 1860 geführt wird, war das Anwesen bereits verzeichnet. Das Geheimnis, ein solches historisches Gebäude gut in eine neue Zukunft zu führen sei, die historischen Materialien zu verwenden, sagt Ferstl. Hier eben Sumpfkalk. Und so wurde auch der dekorative Fries, der außen am Haus entlang läuft, von Gänzdorfer in alter Manier neu aufgebracht. Doch er kann auch modern: perfekt passt der geschliffene Estrich zum vielen Holz, das verbaut wurde. Entstanden ist so ein Gesamtkunstwerk, das an vielen Ecken kleine Geschichten erzählt. So wie der halb verwitterte Rehkopf, der nach Jahrzehnten an der Stirnseite des Hauses in den Flur umziehen durfte.

Der einzige Fauxpas, wenn man es denn so nennen will, den sich die neuen Hausbesitzer geleistet haben, ist ein großes Panoramafenster in der Wohnküche. Doch als die Mitglieder des Schondorfer Kreises die Einladung Davidoffs annehmen und sich das Haus von innen ansehen, sind sie sich einig, dass dies eben der Tribut für die Ansprüche einer jungen Familie war. Der lokale Kulturkreis ist jedenfalls sehr glücklich darüber, dass "Wegschieben" des Gebäudes, wie es an anderer Stelle so oft geschieht, für die neuen Hausherren nie eine Option war.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4265131
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.12.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.