Gedenk-Ausstellung:Gegen das Vergessen

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Schüler des Ammersee-Gymnasiums beleuchten in einer Seminararbeit die Geschichte des KZ-Außenlagers in Utting, in dem bis zu 464 Häftlinge für das Naziregime schufteten. Der Künstler Harry Sternberg zeigt die Schautafeln in seinem "Raum b1"

Von Armin Greune, Utting

Schon der Name ist irreführend: "Kaufering X" hieß das KZ-Außenlager, das vom 18. April 1944 bis zum 8. Mai 1945 in Utting existierte. Zwar erinnern im Ort zwei Denkmäler und ein jüdischer Friedhof an diese wohl dunkelste Zeit der Dorfgeschichte, doch insbesondere junge Menschen haben davon oft keine Ahnung. "Anfangs wusste ich nichts über das KZ in Utting", hat ein Abiturient des Ammersee-Gymnasiums schriftlich bekannt. Inzwischen ist er besser informiert: Er gehört zu den 15 Schülern, die sich in einem Projektseminar des Ammersee-Gymnasiums unter Anleitung von Stephanie Schneider auf Spurensuche begeben haben. Das Ergebnis, die Ausstellung "Die vergessene Geschichte Uttings - Lager X", ist noch bis zum 6. Januar in Harry Sternbergs "Raum b1" am Uttinger Bahnhofsplatz zu sehen.

Auf sechs Tafeln mit Texten und Bildern wird eindrucksvoll dargestellt, wie das beschauliche Ausflugs- und Künstlerdorf für bis zu 464 Häftlinge zum Ort des Schreckens und Leidens wurde. Für sie hatten die Nazis "Vernichtung durch Arbeit" vorgesehen: Unter kaum vorstellbaren Bedingungen mussten sie für die Firma Dyckerhoff & Widmann Betonfertigteile herstellen, die mit einer Lok zum Bahnhof geschafft wurden. Von dort wurden die Teile zum Bau des monströsen Bunkers "Weingut II" nach Landsberg transportiert, wo in einer unterirdischen Flugzeugfabrik "Wunderwaffen" für den "Endsieg" produziert werden sollten.

Ein jüdischer Friedhof und ein Denkmal erinnern an das KZ-Außenlager Utting, das dennoch vielen jungen Bürgerinnen und Bürgern unbekannt ist. (Foto: Arlet Ulfers)

Für ihre Recherche werteten die Abiturienten Internet-Quellen sowie die Autobiografien von Solly Ganor ("Das andere Leben") und Abba Naor ("Ich sang für die SS") aus, die das Sklavendasein im Uttinger KZ überlebt haben; Naor stand den Schülern auch für ein Gespräch zur Verfügung. Vor allem aber gelang es den Schülern, die letzten Zeitzeugen in Utting zu befragen: "Mich hat bewegt, dass uns so viele Menschen geholfen haben", schreibt einer der Schüler. So lässt sich in der Ausstellung erfahren, wie die KZ-Sträflinge zweimal täglich durch das Dorf zur Essensausgabe am heutigen Gasthof "Seefelder Hof" zogen, der nur einen Steinwurf vom "Raum b1" entfernt liegt. Und dass es nicht nur Uttinger gab, die wegschauten - sondern durchaus auch Bürger, die für die Ausgehungerten Obst, Eier und Kartoffeln in den Hecken versteckten. Ein anderer Zeitzeuge wiederum erzählt von drei Exekutionen am Dorfbrunnen.

Im Internet spürten die Schüler die Tagebücher von Heinrich Adam auf, der unmittelbar nach dem Krieg zum Uttinger Vizebürgermeister gewählt wurde und danach in die USA emigrierte. Die im Raum b1 als Faksimile präsentierten Tagebuchseiten geben exemplarisch wieder, wie die Grausamkeiten des Krieges und der Naziherrschaft subjektiv empfunden wurden. Gedichte von Abba Naor und Joachim Brinkmann und ein Modell der Unterkünfte der KZ-Insassen runden die Ausstellung ab.

Ein Schulprojekt, das Harry Sternberg und Emma Strohmeier nun im b1 präsentieren, gibt zum Thema Auskunft. (Foto: Arlet Ulfers)

Vom Projektseminar hatte Sternberg bei der diesjährigen Uttinger Gedenkfeier zur Reichspogromnacht erfahren, als die Abiturientin Emma Strohmeier einen Text vortrug. Nachdem er die Ausstellung in der Aula des Ammersee-Gymnasiums gesehen hatte, fasste er kurzerhand den Entschluss, sie noch einmal im Raum b1 zu präsentieren. "Mit Zeitgeschichte hol' ich Leute rein, die sonst nicht kommen", hat der Künstler und Fotograf erfahren. Bereits zur Eröffnung des Ausstellungsraums im ehemaligen Fremdenverkehrsbüro hatte Sternberg im Sommer 2018 eine ortsgeschichtliche Dokumentation über Claus Bastian gezeigt, der seine Jugend in Utting verbrachte und später Häftling Nr. 1 im KZ Dachau war. Zur aktuellen Ausstellung steuerte Sternberg selbst einige Steine und Betonbrocken bei, die er nach dem Abriss des Dyckerhoff-Geländes 2006 gesammelt hatte. Beim Aufbau konnte ihn nur Emma Strohmeier unterstützen, ihre Mitschüler waren "voll im Klausuren-Stress".

Die Mühe hat sich gelohnt: Schon am Eröffnungssonntag kamen etwa 50 Besucher. Auch ein Vertreter der Bundeswehr war dabei, der in Landsberg die militärgeschichtliche Sammlung "Erinnerungsort Weingut II" betreut: Er äußerte großes Interesse, dort das Modell der Uttinger Wohnbaracken auszustellen, dass die Schüler für ihr Projekt angefertigt haben.

Die Ausstellung "Die vergessene Geschichte Uttings - Lager X" ist noch bis zum 5. Januar sonntags sowie am 6. Januar von 14 bis 17 geöffnet oder nach telefonischer Vereinbarung unter 0163/635 0853.

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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