Geburtshilfe:Starnberg hilft den Nachbarskindern auf die Welt

Das Klinikum übernimmt von Juli an die Geburtshilfe am Kreiskrankenhaus in Wolfratshausen - und entsendet neun Gynäkologen, sechs Kinderärzte und Pflegepersonal.

Von Klaus Schieder

Die Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum Starnberg und der Kreisklinik Wolfratshausen in der Geburtshilfe ist besiegelt: Nach intensiver Debatte hat der Tölzer Kreistag am Freitag mit 43 zu acht Stimmen den Kooperationsvertrag zwischen den beiden Häusern gebilligt. An der Wolfratshauser Kreisklinik wird demnach eine Hauptabteilung "Gynäkologie und Geburtshilfe" eingerichtet, die das Starnberger Klinikum als Außenstelle betreibt. Zudem sieht der für 15 Jahre geltende Vertrag vor, dass der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen in den ersten fünf Jahren ein mögliches Defizit von bis zu maximal 1,5 Millionen Euro per annum auszugleichen hat.

"Für mich ist damit ein ganz großer Schritt nach vorne getan, weil es in unserem Landkreis gesichert eine hochwertigste, klinische Geburtshilfe geben wird", konstatierte der Tölzer Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler). Dem Vertrag zufolge gibt die Kreisklinik Wolfratshausen ihre schon vorhandene Geburtenstation samt den zwei Kreißsälen ab und stellt, falls nötig, einen OP-Saal bereit. Die Geburtshilfe bekommt zusätzlich zwölf Betten - sieben richtet das Klinikum Starnberg ein, fünf gibt die Wolfratshauser Kreisklinik her, die damit ihre Bettenzahl auf 160 senkt. Diese Infrastruktur reiche für 700 bis 800 Geburten im Jahr aus, sagt Hubertus Hollmann, Geschäftsführer der Kreisklinik. Ziel sei es aber, das Ganze später zu erweitern. "Dazu wird es Ausbaumaßnahmen geben." Hollmann äußerte sich "sehr glücklich, dass die Geburtshilfe am Standort Wolfratshausen zu einer Weiterentwicklung kommt".

Geburtshilfe: Kinderärzte, Gynäkologen und Pflegepersonal entsendet das Klinikum Starnberg ins Kreiskrankenhaus in Wolfratshausen.

Kinderärzte, Gynäkologen und Pflegepersonal entsendet das Klinikum Starnberg ins Kreiskrankenhaus in Wolfratshausen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Starnberger Klinikum wiederum stellt die Ärzte und das übrige Personal. Das Tableau sieht neun Gynäkologen, sechs Kinderärzte, die drei bereits in Wolfratshausen tätigen Belegärzte in Teilzeit, sowie Pflegepersonal vor. Das Hebammenteam bleibt. Der Start der Hauptabteilung ist für den 1. Juli geplant. "Es ist eine tatsächliche Rundumversorgung", sagte Thomas Weiler, Geschäftsführer der Starnberger Kliniken GmbH. In dieser Form sei eine solche Kooperation in der Region einmalig. Die werdenden Mütter bekommen in Wolfratshausen künftig das selbe medizinische Niveau geboten wie in Starnberg, inklusive einer pädiatrischen und neonatologischen Versorgung, also bei Frühgeburten. "Die Geburt soll kein traumatisierendes, sondern ein schönes Ereignis sein", sagte Weiler. Deshalb wolle man ein familiäres Flair bieten, zugleich aber auch "ein maximales Sicherheitskonzept". Um die 3000 Geburten zählt das Klinikum in Starnberg pro Jahr. Nach der Schließung der Geburtshilfen in Bad Tölz und in Weilheim nimmt der Druck auf das Krankenhaus zu. Die Kooperation mit Wolfratshausen sei daher "nicht ganz uneigennützig", sagte der Starnberger Landrat Karl Roth (CSU).

Sein Amtskollege Niedermaier stellte klar, dass der Defizitausgleich von 1,5 Millionen Euro lediglich "eine Worst-case-Betrachtung" sei. Zudem rechne man damit, dass sich die Hauptabteilung in fünf Jahren selbst trage. Eine schwarze Null ist nach Berechnungen von Experten mit etwa 1000 Geburten im Jahr zu erreichen. "Aber bis dahin müssen wir ja die Infrastruktur vorhalten", sagte Weiler.

Für Bad Tölz ist nach Niedermaiers Überzeugung keine Lösung in Sicht. Die Kritik, dass der Kreistag voriges Jahr einen ähnlich hohen Defizitausgleich für den Standort Tölz abgelehnt habe, wies der Landrat zurück. Anders als Starnberg hätten es die potenziellen Kooperationspartner Agatharied und Garmisch damals abgelehnt, die Geburtshilfe in Tölz in eigener Verantwortung zu betreiben. Der Defizitausgleich wäre dauerhaft und nicht begrenzt gewesen, so Niedermaier. Für Starnberg kam eine Kooperation mit Bad Tölz vor allem wegen der weiten Wege nicht in Frage. "Die Nähe zu Wolfratshausen war für uns entscheidend", sagte Weiler.

Pressekonferenz zur Geburtshilfe im Landratsamt

Die Starnberger Geburtshilfe-Abteilung in Wolfratshausen erklären Hubertus Hollmann, Josef Niedermaier, Karl Roth und Thomas Weiler (v.l.).

(Foto: Manfred Neumann)

Die acht Gegenstimmen im Kreistag kamen aus den Fraktionen der CSU und der Grünen. Für die CSU sei der Kooperationsvertrag "eine schwierige Geburt" gewesen, räumte Fraktionschef Martin Bachhuber ein. Aber der Beschluss sei für ihn "richtig und wichtig", erhalte er doch eine qualitativ hochwertige Geburtshilfe an der Kreisklinik. Noch mehr Gegner gab es prozentual bei den Grünen. Sprecher Klaus Koch stimmte indes für den Kontrakt: "Tatsächlich war diese Geschichte ohne alternative Lösungsmöglichkeiten." Hans Sappl (FW) befürwortete die Zusammenarbeit mit Starnberg wie all seine Fraktionskollegen: "Dieser Beschluss ist nicht für den Norden, nicht für den Süden, sondern für den gesamten Landkreis." Reiner Berchtold (SPD) sah sich als Kreisrat in der Pflicht, "erst einmal eine kommunale Einrichtung zu erhalten, anstatt Geld an einen gewinnorientierten Konzern zu geben". Günther Fuhrmann (Ausschussgemeinschaft) betonte, dass 80 000 Einwohner im nördlichen und nur 40 000 im südlichen Landkreis lebten. "Bad Tölz ist die geografische, nicht die demografische Mitte."

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