Automobilbranche :Im rauen Fahrwasser der Weltwirtschaft

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Um im knallharten Wettbewerb noch bestehen zu können, hat sich Webasto (hier die Zentrale im Gautinger Ortsteil Stockdorf) ein striktes Optimierungsprogramm verordnet. (Foto: Nila Thiel)

Die Absatzkrise hat auch den Zulieferer Webasto aus Stockdorf mit voller Wucht erwischt: Wie das Unternehmen versucht, die Talfahrt zu stoppen.

Von Christian Deussing, Gauting

„Feel the Drive“ lautet der Slogan des Autozulieferers Webasto. Doch der Schwung ist dahin, die Zeiten stabilen Wachstums sind vorbei. Das Unternehmen wirbt damit, weltweit innovative Dach- und Thermosysteme, sowie Batterien für Fahrzeuge und Boote herzustellen. Aber nun ist auch diese Firma, die ihren Hauptsitz mit derzeit noch rund 1300 Mitarbeitern in Gautinger Ortsteil Stockdorf hat, mit voller Wucht von der Krise der Automobilbranche erfasst worden. Denn das Familienunternehmen gerät zunehmend in Bedrängnis, große Hersteller wie Volkswagen und BMW melden massive Gewinneinbrüche. Zwar versuche man mit einem „Optimierungsprogramm“ das Unternehmen profitabler und finanziell resilienter zu machen. Doch auch Webasto bekomme die „Auswirkungen der sich verzögernden Transformation der Branche zur E-Mobilität und geopolitischen Auseinandersetzungen“ zu spüren, erläutert eine Konzernsprecherin die wirtschaftlich schwierige Lage.

Dazu zählen auch die anhaltend steigenden Kosten bei Material, Energie und Logistik, die Webasto zu schaffen machen. Das Management will deshalb den bereits im Frühjahr eingeschlagenen Spar- und Optimierungskurs verstärken und sich der veränderten Marktlage anpassen. Droht dadurch jetzt den Mitarbeitern der Jobverlust? Zumindest für das laufende Jahr war der Belegschaft zugesichert worden, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Diese seien das „letzte Mittel der Wahl“ und nur vorstellbar, wenn alle anderen Maßnahmen zur Steuerung der Kapazität nicht ausreichten, versichert die Webasto-Sprecherin.

Im Unternehmen würden flexible Arbeitszeiten angeboten, altersbedingte und freiwillige Austritte von Mitarbeiten genutzt. Und es werde genau geprüft, ob freie Stellen nachbesetzt werden könnten. Nachdem im vergangenen Jahr die Webasto-Gruppe bei einem Umsatz von rund 4,6 Milliarden Euro eine Umsatzrendite von lediglich unter einem Prozent erzielt hatte, wurden nach diesem drastischen Gewinneinbruch insgesamt 1600 Stellen gestrichen – ohne jedoch bisher Beschäftigte zu entlassen. Zudem wird es an mehreren Standorten – darunter auch in der Zentrale im Gautinger Ortsteil Stockdorf – vom 22. Dezember bis 10. Januar eine Betriebsruhe geben, um Energiekosten zu sparen.

Wegen der Absatzflaute europäischer Automodelle hat Webasto zwei von neun Produktionswerken in China geschlossen, davon betroffen waren etwa 500 Mitarbeiter. Zuletzt habe sich das Geschäft allerdings auf einem geringeren Niveau stabilisiert. „Wir beobachten die weitere Entwicklung aufmerksam“, berichtet die Firmensprecherin, „und werden, wenn nötig, in dieser Region weitere strukturelle Anpassungen vornehmen.“

Das ist bereits mit dem Verkauf des Geschäftsbereichs „Ladelösungen“ geschehen: Zwei Standorte in USA und Mexiko wurden abgegeben. Zudem sei geplant, den Standort Rochester Hills bei Detroit mit seinen zuletzt rund 270 Beschäftigten Mitte nächsten Jahres zu schließen, teilt Webasto mit.

Das Gebäude im Bau (li.) soll in den ersten drei Monaten nächsten Jahres fertiggestellt sein. Dorthin ziehen Mitarbeiter von Webasto aus Gilching, wo das Unternehmen seinen Standort aufgibt. (Foto: Nila Thiel)

Und welche Auswirkungen hat jetzt die Wahl von Donald Trump, der als Präsident die Zölle drastisch erhöhen will, auf das US-Geschäft der Firma? Man produziere grundsätzlich „in der Region für die Region“ – also beispielsweise in Nordamerika Dachsysteme für Fahrzeuge, die dort auch hergestellt würden. Daher sei die Firma „als Zulieferer weniger stark von protektionistischen Entwicklungen betroffen als andere Unternehmen“, sagt die Sprecherin. Allerdings: Wenn die Automobilhersteller als Kunden höhere Zölle zu schultern hätten, wirke sich das mittelbar natürlich auch auf das Geschäft von Webasto aus.

„Die Strukturen von Webasto stehen in allen Regionen auf dem Prüfstand“

Wie geplant, wird auch der Standort in Gilching nach 16 Jahren aufgegeben. Die fast 570 Mitarbeiter werden wahrscheinlich schon in den ersten drei Monaten nächsten Jahres in das neue Gebäude der Webasto-Zentrale in Stockdorf umziehen. Auf die Frage, ob nun auch der Standort in Utting am Ammersee mit seinen derzeit 350 Mitarbeitern gefährdet sei, erklärt die Sprecherin: „Die Strukturen von Webasto stehen in allen Regionen auf dem Prüfstand. Mehr können wir aktuell dazu nicht sagen“.

Vor Kurzem ist mit Jörg Bremer ein neuer Finanzvorstand bei Webasto ernannt worden. Sein Vorgänger Arne Kolfenbach hatte schon zwölf Monate vor Ablauf seines Fünf-Jahres-Vertrags den Autozulieferer verlassen. Dies sei auf eigenen Wunsch geschehen, Kolfenbach wolle seine Tätigkeit woanders fortführen, betont die Sprecherin. Mit Bremer habe das Unternehmen einen „erfahrenen Strategen im Finanzbereich gewinnen können, von dem wir uns in diesen herausfordernden Zeiten wichtige Impulse erwarten“.

„Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagt der Betriebsrat

Die sind sicher auch dringend nötig. „Wir befinden uns in rauem Fahrwasser, aber nicht auf einem sinkenden Schiff“, umschreibt der Betriebsratsvorsitzende Mirco Eschrich die Situation. In diesem Jahr hätten global fast 900 Personen Webasto verlassen, darunter 200 bis 300 Mitarbeiter in Deutschland. Weltweit beschäftigt der Konzern noch mehr als 16 000 Menschen. Laut Eschrich hat der Zulieferer bundesweit rund 4000 Arbeitsplätze an acht Standorten. „Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, sagt der Betriebsrat, der sich im engen Austausch mit dem Vorstandsteam befindet, um beidseitig die Interessen im Blick zu behalten.

Stolz ist Eschrich darauf, dass deutschlandweit 90 Prozent der Mitarbeiter das Angebot wahrgenommen haben, ihr Weihnachtsgeld in Urlaubstage umzuwandeln. Dadurch seien zehn Millionen Euro eingespart worden. Andere Firmen hätten wegen dieses erfolgreichen Modells bereits nachgefragt, sagt Eschrich.

Das ist aber nur ein kleiner Schalthebel in einer Krise, die sich insbesondere in der Branche der Autozulieferer zugespitzt hat. Zum Umsatz, der im laufenden Jahr zu erwarten ist, macht Webasto keine Angaben. Wie in den Vorjahren gebe man keine Prognosen heraus. Der Webasto-Umsatz und „weitere Finanzkennzahlen“ würden grundsätzlich einmal pro Jahr auf Basis des Geschäftsabschlusses kommuniziert, teilt die Sprecherin des Konzerns mit.

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