Gauting:Ungleiches Duo

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Raritäten im Programm: Aglaya Sintschenko und Pierre Hartmann. (Foto: Georgine Treybal)

Musik für Kontrabass und Klavier beim kleinen Sommerfestival

Von Reinhard Palmer, Gauting

Mit einer außergewöhnlichen Besetzung ging das zweite Konzert des kleinen Sommerfestivals in der Gautinger Remise von Schloss Fußberg über die Bühne: Die Russin Aglaya Sintschenko am Flügel traf auf den Franzosen Pierre Hartmann am Kontrabass. Und der Titel des Abends, "Durch Schatten zum Licht", erfuhr angesichts der farbintensive Gemälde von Elke Froebler im Bühnenbereich eine weitere Dimension. Klanglich half der Blüthner-Flügel zu einer besonders subtilen Auseinandersetzung mit Licht und Schatten, vor allem in der eröffnenden Französischen Suite Nr. 3 h-Moll (BWV 814) von Bach für Klavier alleine, die Sintschenko auf historische Askese einschwor. Bach also in reinster Form, mit Phrasierung und tief empfundenem Nachdruck modelliert, fast gänzlich ohne Dynamik und dramatisches Nachhelfen. Auch in der anschlagstechnischen Differenzierung nahm sich Sintschenko zurück und erwies barocker Empfindsamkeit Reverenz.

Der Weg bis zur finalen Grande Sonate G-Dur für Klavier von Tschaikowsky erwies sich so als meilenweit, was seine Wirkung nicht verfehlte. In diesem groß und hymnisch angelegten Werk konnte Sintschenko ihre herausragenden pianistischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Vor allem in der anschlagstechnischen Differenzierung, die für das Werk von enormer Bedeutung ist, weil der Komponist die orchestrale Klangvielfalt im Ohr hatte. Die Sonate ist auch von Wendungen, Stimmungs- und Klangbildwechseln geprägt. Der Pianistin aus Sankt Petersburg gelang es, diese Vielfalt dramaturgisch schlüssig in wohlproportionierte Form zu gießen. Besonders im Andante, das sich zunächst mit Akkorden dramatisch verdichtete und dann in weitem Bogen zu fließender Lyrik und seligem Gesang fand. Das drängende Staccato-Scherzo zeigte sich als vitale Zwischenepisode, die zum imposanten Schlusssatz überleitete. Sintschenko entfesselte nun einen Wirbelwind, den sie mit perlenden Läufen virtuos in Szene setzte. Wie schon bei Bach in den Melismen, überzeugte sie auch hier mit schön ausgespieltem Ebenmaß bis zum orchestralen Finale.

Der mittlere Teil mit Kontrabass war vor allem von Raritäten geprägt, ausgenommen das Ricercare von Domenico Gabrielli. Die beschwingte Virtuosität des Stücks gab Hartmann die Gelegenheit, an Bachs Suite anzuknüpfen. Allerdings fehlte in seinem Spiel die Präzision, die gerade in den tiefsten Registern für die nötige Klarheit hätte sorgen können. Als noch problematischer sollte sich seine unsaubere Intonation erweisen, vordringlich im Zusammenspiel mit dem Klavier, was zu ungewollter Mikrotonalität führte.

Die aufgewühlte Elegie "Am Grabe des Freundes" von Theodor Albin Findeisen ist anspruchsvolle Trauermusik, die einen gewiss zu Unrecht vergessenen Komponisten in Erinnerung rief. Die Modernität seiner Musik ist eher gemäßigt, im Grunde noch von der spätromantischen Chromatik abgeleitet. Das Zusammenspiel wollte hier aber nicht so recht zünden und blieb reichlich konfus, obgleich der Komponist im Klavierpart mit der Bevorzugung tieferer Lagen um klangliche Homogenität sehr bemüht war. Besser klappte das in der Sonate von 1958 von Karel Reiner. Der tschechische Komponist jüdischer Abstammung, der wie durch ein Wunder den Holocaust in den Konzentrationslagern Theresienstadt, Auschwitz und Dachau überlebte, zeigte sich auch wesentlich gewandter in der harmonischen Führung. Sintschenko und Hartmann profitierten im Zusammenspiel von der klaren Tonalität, vermochten aber auch die wechselnden Stimmungen überzeugend zu formen. Frenetischer Schlussapplaus.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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