Süddeutsche Zeitung

Griff in die Kasse:Überfall mit Sonnenbrille und Mütze

Psychisch kranker Mann wird wegen Raubes und Körperverletzung zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der 23-Jährige muss Schmerzensgeld an die Kassiererin des Supermarktes zahlen.

Von Christian Deussing, Gauting

Mit Sonnenbrille, Mütze und dunkler Kleidung hatte der junge Mann am Abend des 9. November 2021 den Edeka-Markt am Hauptplatz in Gauting betreten. Dort hatte er kurz zuvor einen Schokoriegel gekauft. Diesmal täuschte er einen Einkauf vor und griff stattdessen nach den Geldscheinen in der offenen Kasse. Der unbewaffnete Räuber stieß laut Anklage im Gerangel die Kassiererin zu Boden, die sich dabei verletzte. Mit der Beute von 2600 Euro flüchtete der Täter bis zur Ecke Blumenstraße und Hangstraße, wo ihn ein 21-jähriger Autofahrer stellte. Den Verfolger schlug der Räuber zweimal mit der Faust ins Gesicht, wurde aber im Schwitzkasten festgehalten. Zwei Passanten halfen, bis die alarmierte Polizei eintraf. Am Montag musste sich der Täter wegen Raubes und vorsätzlichen Körperverletzungen vor dem Starnberger Schöffengericht verantworten.

Der 23-jährige Angeklagte gestand die Taten; er wirkte reumütig und entschuldigte sich bei der 43-jährigen Kassiererin. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Zudem muss der Verkäufer, der in München in einer Therapeutischen Wohngemeinschaft lebt, 1200 Euro Schmerzensgeld an die traumatisierte Kassiererin und 2200 Euro an den Verein "Frauen helfen Frauen" bezahlen. Angeordnet wurde auch eine fortlaufende psychotherapeutische Behandlung.

Eine verminderte Schuldfähigkeit bei der Tat schließt das Gericht aus

Der Angeklagte sei emotional instabil und leide unter einer Persönlichkeitsstörung, erläuterte eine Sachverständige. Im Prozess sagte der Angeklagte mit leiser Stimme, dass er damals "etwas Schlimmes machen und möglichst erwischt werden wollte". Das war nur acht Tage, nachdem er nach vier Monaten aus einer psychiatrischen Klinik entlassen worden war.

Eine verminderte Schuldfähigkeit konnten die Gutachterin und das Schöffengericht aber nicht erkennen. Richter Franz von Hunoltstein nannte aber Motive, die den Angeklagten zu der "heftigen Tat" getrieben hätten: Neben der psychischen Erkrankung seien es eine Selbstbestrafung als Hilferuf, der "Kick des Risikos" und eine gewisse kriminelle Energie gewesen, Geld zu erbeuten. Der Überfall sei recht professionell geplant gewesen, denn der Täter habe Wechselkleidung im Rucksack dabei gehabt. Der Richter lobte die drei jungen Gautinger, die durch ihre Zivilcourage die Flucht des Räubers verhindert hätten.

Der Staatsanwalt forderte eine zweijährige Bewährungsstrafe mit 5000 Euro Geldauflage: Der Angeklagte habe am Tatabend den Schokoriegel gekauft, um die Situation im Kassenbereich auszuspähen. Dagegen betonte der Verteidiger, dass sein Mandant zuerst nicht den Mut aufgebracht habe, die Tat zu begehen. Er habe sich in einer besonderen psychischen Lage befunden und selbstzerstörerisch gehandelt.

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