GautingDer weiße Lama und die Fische

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Bei der buddhistischen Zeremonie werden vom Tode bedrohte Tiere in die Freiheit entlassen.
Bei der buddhistischen Zeremonie werden vom Tode bedrohte Tiere in die Freiheit entlassen. (Foto: Arlet Ulfers)

Ein Münchner Verein feiert an der Würm eine buddhistische Zeremonie und entlässt 3000 Jungforellen in die Würm. Der rituelle Charakter lockt viele Schaulustige an.

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gauting

Es sieht aus wie ein frisch eingelassenes Wannenbad. Weißer, samtiger Schaum schwimmt auf der Oberfläche. Rote Rosenblätter sind darübergestreut. Unter der Oberfläche tauchen immer wieder dunkle Fischrücken auf, die wie kurze Lichtreflexe erscheinen. In den großen Bottichen schwimmen knapp 3000 etwa sechs Monate alte Bachforellen, die am Ende des Tshethar Rituals in die Würm entlassen werden.

Zum zehnten Mal hat der Münchner Long-Yang-Verein am Freitag zu dieser buddhistischen Zeremonie in den Gautinger Schlosspark eingeladen. Etwa 65 Besucher sind gekommen. Zusätzlich sind noch etwa 40 Helfer anwesend, die Zelte aufgebaut haben mit Schreinen für die rituellen Gegenstände und einen thronartigen Stuhl für den Meister Tulku Khyungdor Rinpoche. „Der weiße Lama“, wie er genannt wird, wird die Zeremonie abhalten. Wie sein Geburtsname lautet, bleibt traditionell ebenso im Dunkeln wie sein wirkliches Alter. Es heißt nur, dass er seit mehr als 40 Jahren Erfahrung auf den Gebieten der Meditation und Heilkunst habe. Er selbst sagt von sich, dass er „Praxisroutine“ hat und Yogi ist. „Ich lebe diese Dinge, tagtäglich“, erklärt er, als er eine kurze Einführung in das Ritual gibt.

Ziel der knapp zweistündigen Zeremonie ist es, vom Tod bedrohte Tiere – in diesem Fall Bachforellen – freizukaufen und in die Freiheit zu entlassen. „Indem man anderen hilft, hilft man sich selbst“, heißt es. Doch nicht nur die Fische bekommen ein Leben in Freiheit geschenkt, sondern auch die Besucher. Insbesondere für diejenigen, die diese Befreiung durch die Bezahlung von drei Euro pro Fisch ermöglichen.

Die Gebete und Rezitationen des Meisters sollen „einen vitalisierenden Effekt für Lebenskraft und Erfolg“ haben, wird in einem Flyer versprochen, den jeder Besucher am Eingang in die Hand gedrückt bekommt. Dazu erhalten Besucher einen Umschlag, der einen weißen Seidenschal enthält. Der sogenannte Khata hat ebenfalls eine Bedeutung in dem Ritual. Er soll dem Meister gereicht werden – zusammen mit „einem Offering“: Es wird empfohlen, eine Spende von 20 Euro plus in das Couvert zu legen. Das sei so Brauch in Asien, heißt es. Und die Besucher stehen Schlange, um dem Meister Schal nebst Spendencouvert überreichen zu dürfen. Die Umschläge stapeln sich auf dem Schrein. Im Gegenzug gibt es Segen, indem der Spender den Schal sowie ein Bändchen um den Hals gehängt bekommt.

Zum zehnten Mal findet die Zeremonie im Park von Schloss Fußberg statt.
Zum zehnten Mal findet die Zeremonie im Park von Schloss Fußberg statt. (Foto: Arlet Ulfers)
Entlang eines weiß gekennzeichneten Kreises laufen Frauen barfuß hintereinander, um die für das Ritual notwendigen Gegenstände zu den Fischbottichen zu bringen.
Entlang eines weiß gekennzeichneten Kreises laufen Frauen barfuß hintereinander, um die für das Ritual notwendigen Gegenstände zu den Fischbottichen zu bringen. (Foto: Arlet Ulfers)
Meister Tulku Khyungdor Rinpoche.
Meister Tulku Khyungdor Rinpoche. (Foto: Arlet Ulfers)

Die Zeremonie erinnert ein wenig an den Ablasshandel im Mittelalter. Doch so profan wollen es der Meister und seine Gefolgschaft offensichtlich nicht betrachtet wissen. Man dürfe das Ganze nicht verkopft sehen, ist überall zu hören. Der Meister selbst formuliert es scherzhaft so: „Die Fische verstehen es nicht und daher sollten wir uns auch keine Gedanken machen.“ Dem Nutzen komme es nicht zugute, wenn man darüber nachdenke, sagt er, bevor er rund zwei Stunden lang mit tiefer Bass-Stimme Texte rezitiert, die er mit Trommel- und Glockenschlägen rhythmisch untermalt. Die Hauptsache ist wohl, dass die Menschen daran glauben und die Stimmung auf sich wirken lassen. Und das tun offensichtlich sehr viele unter den Besuchern: Sie falten die Hände inbrünstig zum Gebet und sprechen Mantras und Dharanis auswendig mit, die Tulku Khyungdor Rinpoche in tibetischer Sprache und in Sanskrit rezitiert.

Eine von ihnen ist Hannelore Scharnagl aus Gauting. Sie stehe dem Buddhismus sehr nahe, sagt sie. Die Rituale würden ihre Lebensenergie erhöhen. „Das wirkt sich sehr günstig auf das Schicksal aus.“ Die Schal-Zeremonie lässt sie aber aus. Sie habe schon an vielen Ritualen teilgenommen, erklärt sie, sie spende lieber über die Handy-App.

Adl Günther hat seine 13-jährige Tochter mitgebracht. Sie interessiere sich gerade für den Buddhismus, erklärt Günther, er selbst findet die Rituale rund um die Fischzeremonie „sehr interessant“. Ebenso wie Vater und Tochter ist auch Ingrid Klaus auf den Ateliertagen an der Reismühle gezielt von Vertretern des Long Yang Vereins angesprochen und zu dieser Zeremonie eingeladen worden. „Und jetzt schnuppern wir mal rein“, sagt sie.

„Die Fische verstehen es nicht und daher sollten wir uns auch keine Gedanken machen“, sagt der Meister und entlässt die Fische in die Freiheit.
„Die Fische verstehen es nicht und daher sollten wir uns auch keine Gedanken machen“, sagt der Meister und entlässt die Fische in die Freiheit. (Foto: Arlet Ulfers)

Joachim Moroff ist mit seiner Familie hergekommen, weil er „ums Eck“ wohnt und sich die Veranstaltung einmal ansehen wollte. Überhaupt sind viele junge Menschen hier, auch zahlreiche Familien mit Kind und Hund. Einige sind gerade beim Abendspaziergang unterwegs und gehen gleich wieder weiter. Gerade für Kinder ist diese exotische, meditative Zeremonie ein Fest. Immer wieder müssen sie ermahnt werden, den Fischbottichen nicht zu nahe zukommen und wenigstens eine kleine Gasse für den Meister und seine Helferinnen freizulassen.

Die durchwegs jungen Frauen in weißen Kleidern und dunkelrotem Schal verhalten sich sehr respektvoll, ja fast unterwürfig ihrem Meister gegenüber. Sie nähern sich ihm in gebückter Haltung, wenn sie die rituellen Gegenstände vom Schrein abholen oder zurückbringen. Entlang eines weiß gekennzeichneten Kreises laufen sie barfuß hintereinander, um die für das Ritual notwendigen Gegenstände zu den Fischbottichen zu bringen. Dort werden tibetanische Kräuter ins Feuer geworfen und Flüssigkeiten sowie weißes Pulver zu den Fischen ins Wasser. Auf Nachfrage wird erklärt, im Krug habe sich Safranwasser befunden und das Pulver sei harmloser Sand fürs Aquarium. Nichts davon könne Fischen schaden.

Am Ende holt der Meister die Fische mit einem Kescher aus dem Schaumbad, um sie in ihre natürliche Umgebung in die Würm zu entlassen. Die eingenommenen Spenden gehen nach Nepal, wo Tulku Khyungdor Rinpoche im Jahr 2003 die Akasha Academy aufgebaut hat. Auch in München gibt es eine Niederlassung. Dort soll ein Kindergarten eingerichtet werden.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Tulku Khyungdor Rinpoche werde als „weißer Lama“ bezeichnet, weil er Deutscher sei, und dass er seit 40 Jahren im Himalaja lebe. Das wurde an entsprechender Stelle korrigiert. Zudem hieß es, er wurde in Nepal zum Meister ernannt. Korrekt ist, dass er in Buthan zum Meister ernannt wurde.

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