SZ Gute Werke:Wenn kein Euro übrig bleibt

Lesezeit: 2 Min.

Bei zwei Wickelkindern können die Windelkosten zur Belastung werden. (Foto: Georgine Treybal)

Die sechsköpfige Familie P. kommt über die Runden – vorausgesetzt, es kommt nichts dazwischen. Jetzt ist das Auto kaputt und das wenige Ersparte reicht nicht für die Reparatur.

Von Carolin Fries, Gauting

Als das Auto zuletzt kaputt und kein Geld für die Reparatur da war, haben sie es ohne probiert. Andrea P. (Name von der Redaktion geändert) rollt mit den Augen. „Eineinhalb Stunden haben wir morgens zum Kindergarten gebraucht“, sagt die vierfache Mutter. Die Kita liegt am anderen Ende des Ortes, mit dem Auto brauche sie eine Viertelstunde. Und wie soll sie die Einkäufe erledigen, die Arztbesuche und dienstags den Musikunterricht der ältesten Tochter? Nein, sie brauchen ein Auto, und zwar ein geräumiges mit sechs Sitzplätzen. Denn vor neun Wochen kam Max auf die Welt. Das alte Auto ist nicht nur alt und reparaturbedürftig, sondern auch zu klein. „Es geht nicht, dass immer ein Kind auf dem Notsitz sitzen muss“, sagt die Mutter beschämt.

Andrea P. und ihr Mann haben gespart, doch mehr als 500 Euro sind bislang nicht zusammen. „Erst war der Kühlschrank kaputt, dann die Waschmaschine.“ Und zuvor hatten sie in der Corona-Pandemie ein Tablet anschaffen müssen für die 13 Jahre alte Tochter, da waren die finanziellen Reserven aufgebraucht. „Es bleibt einfach nichts übrig“, sagt die 35 Jahre alte Bürokauffrau in Mutterschutz. Ihr Mann verdient brutto etwas mehr als 4000 Euro im Monat, das reicht zusammen mit dem Kinder- und Elterngeld gerade für den Alltag – obwohl die Familie in einer günstigen und mit drei Zimmern nicht überdimensionierten Sozialwohnung lebt. Mal brauchen die Kinder Geld für Ausflüge in Kita oder Schule, mal steht ein Geburtstag an oder wie jetzt die Weihnachtszeit.

Wie man spart, hat Andrea P. früh gelernt. Ihre erste Tochter zog sie alleine groß, bis sie vor acht Jahren mit ihrem heutigen Ehemann Paul zusammenkam. „Ich weiß, wie man günstig und trotzdem vollwertig und gut kochen kann“, sagt sie. Sie kauft überwiegend beim Discounter ein. Klamotten besorgt die Familie in Second-Hand-Geschäften oder auf Flohmärkten. Statt teure Ausflüge zu unternehmen, gehen sie gerne in den Wald und machen dort ein Picknick, im Urlaub wird gezeltet. Heuer sind sie allerdings gar nicht weggefahren, weil Paul P. an einer Depression litt. „Die Arbeit hatte ihn krank gemacht“, erklärt Andrea P. Mehrere Monate fiel er aus, statt mit einem Gehalt musste die Familie mit Krankengeld auskommen. „Das war eine belastende Zeit“, erinnert sich Andrea P., die damals hochschwanger war und Unterstützung beim Kinderschutzbund fand.

Im neuen Job geht es Paul P. inzwischen besser, er ist weiterhin in psychischer Behandlung. Andrea P. hofft, dass er die Probezeit gut übersteht. Die Bürokauffrau will selbst in wenigen Monaten wieder in Teilzeit anfangen zu arbeiten, um die Familienkasse zu füllen. Ihr Arbeitgeber ermögliche ihr Home-Office und ihre Tätigkeit könne sie gut auch mit einem Säugling daheim bewerkstelligen.

Andrea P. hat nicht das Gefühl, arm zu sein. Aber es sei nicht schön, wenn sie die ohnehin bescheidenen Wünsche der Kinder immer abschmettern müsse. Das seien vielleicht mal ein paar neue Schuhe für die große Tochter oder ein besonderes Spielzeug für deren jüngere Geschwister. Doch wie soll sie das bezahlen, wenn der Lebensunterhalt immer teurer wird? Der Wocheneinkauf habe sie vor zweieinhalb Jahren noch 100 Euro gekostet hat, inzwischen zahle sie 250 Euro. „Und da ist der Kleine nur mit seinen Windeln dabei.“

Großeltern, die ihnen finanziell unter die Arme greifen können, gibt es keine. Wie sie das Weihnachtsfest gestalten werden? Bescheiden und klein, „es gibt ein Gemeinschaftsgeschenk für die Kinder, womit alle spielen können“, sagt Andrea P. Sie selbst habe keine Wünsche. „Wir sind gesund, das ist das Wichtigste.“

So können Sie spenden

SZ Gute Werke e.V.

HypoVereinsbank

DE04 7002 0270 0000 0822 28

BIC: HYVEDEMMXXX

www.sz-gutewerke.de

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBurnout
:Wenn Bürgermeister zusammenbrechen

Kita-Plätze fehlen, Stau auf den Straßen, das trübe Wetter: Rathaus-Chefs werden für alles persönlich verantwortlich gemacht oder gleich beschimpft. Amtsinhaber berichten, was sie krankgemacht hat – und eine Ärztin, wie sie hilft.

Von Carolin Fries

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: