Gauting:Spielwarenladen mit 140-jähriger Geschichte schließt

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"Spielwaren Lutter"-Inhaber Wolfgang Schmid kapituliert vor dem Online-Handel und den Angeboten von Discountern. Gutes Spielzeug sei ohnehin kaum noch gefragt.

Von Blanche Mamer, Gauting

Das Werbebanner auf dem Platz vor der Sparkasse in Gauting bewegt sich im Wind. Neben dem Puzzle-Logo von Spielwaren Lutter steht: "Wir geben nicht auf, aber wir schließen unser Geschäft." Bis Ostern will Inhaber Wolfgang Schmid die Regale leer haben und sein Geschäft zumachen. Damit wäre das Aus für einen traditionsreichen Laden in Gauting besiegelt. "Die Zeit der traditionellen Spielwarenläden ist vorbei", bedauert Schmid. Erst vor Kurzem hatte auch das Starnberger Spielzeuggeschäft Schmidt an der Hauptstraße in der Kreisstadt geschlossen.

Wie bei anderen Einzelhändlern auch, sei sein großes Problem der Online-Anbieter "Amazon". Das Einkaufsverhalten der Kunden habe sich total verändert. Es werde kein Qualitätsspielzeug mehr gekauft, sondern nur noch Plastik. "Es gibt keine schönen Puppen mehr, kein Holzspielzeug, keine Bausätze, keine Modelleisenbahnen. Stattdessen gäbe es Dinge wie beispielsweise einen Pferdeschminkkopf. Da komme ich einfach nicht mehr mit", sagt Schmid, der jetzt in Rente gehen will. Ein weiteres Problem seien die Dumping-Preise der Discounter. "Vor Weihnachten werden neueste Spielsachen angeboten, zu Preisen, die unter meinem Einkaufspreis liegen. Da kann ich einfach nicht mithalten." Sein Lieblingsspielzeug und stete Empfehlung an Eltern ist ein Kapla-Konstruktionsbaukasten aus vielen identischen Holzplättchen.

Vorläufer des Geschäfts in Gauting war die "Puppenklinik" in der Münchner Herzogspitalstraße. (Foto: privat/oh)

Trotz aller Desillusionierung schaut Schmid stolz auf die lange Familientradition zurück. Der Spielwarenladen hat seine Wurzeln in der "Ersten Münchner Puppenklinik" an der Herzogspitalstraße. 1876 hat sein Ururgroßvater mütterlicherseits, Sigmund Lutter, als Puppenmacher begonnen, dann als Puppendoktor weitergemacht und zusätzlich Spielzeug ins Sortiment genommen. Ob er das Geschäft in fünfter oder sechster Generation führe, könne er nicht sagen, sagt Schmid. 1968 hat seine Familie, die damals schon in Stockdorf wohnte, einen Laden in Gauting eröffnet, als zusätzliches Standbein. Zunächst an der Bahnhofstraße 21; heute ist dort das Café Vorort. Obwohl Wolfgang Schmid damals noch Betriebswirtschaft studierte, hat er im Geschäft mitgearbeitet. Später habe er das Studium geschmissen und den Laden in Gauting ganz übernommen, erzählt er. 1992 zog er um in die Bahnhofstraße 11.

Glaubt man Schmid, war früher alles besser, der Umgang der Hersteller mit den Abnehmern und der Zusammenhalt der Einzelhändler. Beispielsweise habe ihm seine Großmutter erzählt, dass die berühmte Puppenmacherin Käthe Kruse einmal vorbei gekommen sei. Sie hatte finanzielle Probleme und bat um Hilfe. Und die bekam sie, nicht nur von Familie Lutter, sondern auch von anderen Spielzeugverkäufern.

Hinter dem Kassentresen hängen immer noch gerahmte Urkunden, die von guten Geschäftsbeziehungen zeugen. Unter dem Zeichen "Knopf im Ohr" bedankt sich die Firma Steiff für die vertrauensvolle Zusammenarbeit seit 1913. Heute verkaufen sich Steiff-Plüschtiere nicht mehr gut, sagt Schmid. Dann zeigt er ein Schreiben von "Märklin" von 1927, in dem ebenfalls auf die gute Zusammenarbeit hingewiesen wird. Auch wenn Spielwaren Lutter bald Geschichte sein wird, will Schmid weiterhin Kindergärten und Schulen beraten und gutes Spielzeug vermitteln.

Jetzt läuft in der Bahnhofstraße der Ausverkauf. (Foto: Georgine Treybal)

Noch ein weiteres Geschäft in der Bahnhofstraße wird schließen, wenn auch erst zum Jahresende. Schon jetzt verkauft "Schuhskandal" aus. Aus privaten Gründen wollen die Betreiber ihren Laden aufgeben. Nachmieter werden gesucht.

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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