Gauting:Sinn erklärt die Finanzkrise

Der Präsident des Ifo-Instituts gibt in seiner Heimatgemeinde Gauting Tipps. 160 Zuhörer kommen zum Vortrag im Pfarrsaal

Annette Jäger

Gauting Hans-Werner Sinn

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn beim Vortrag im Gautinger  Pfarsaal. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

Wenn sich rund 160 Leute im Pfarrsaal von St. Benedikt in Gauting an einem Mittwochabend einfinden und bereit sind, wegen Sitzplatzmangel zwei Stunden lang zu stehen oder auf der Heizung Platz zu nehmen, muss das Dargebotene schon sehr verlockend sein. Das war es offenbar: Deutschlands renommierter Ökonom Hans-Werner Sinn sprach über sein Steckenpferd, die Finanzkrise.

Für Sinn, Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, war der Abend ein Heimspiel. Seit 30 Jahren lebt der Westfale in Bayern, Gauting ist schon lange seine Heimat. Das Gesicht mit dem markanten Kinn- und Backenbart kennt man aus vielen Talkshows, von Plasberg über Illner bis Will, in denen Sinn gerne streitbare Thesen in den Raum stellt und Politik wie Medien kritisiert. Die Gautinger Christen wünschten sich Klarheit in der wirren Finanzkrise und holten sich den bekannten Professor mit den klaren Worten in ihr ökumenisches Seminar.

Sinn kennt die Finanzkrise aus dem Eff-eff, weswegen er auch kein Skript benötigte. Nur eine Beamer-Präsentation mit Grafiken nutzte er, um ein Schreckensszenario nach dem anderen zu belegen: Horrende Arbeitslosigkeit, eklatanter Preisanstieg und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit in Südeuropa. Dazu die vielen Milliarden, die in enormen Rettungsschirmen stecken, Zahlen, die "keiner mehr schreiben kann", wie eine Zuhörerin es ausdrückte. Sinn dozierte spannend, mit souveränem Lächeln im Gesicht, über Ursache und Wirkung der Eurokrise. Hoch komplizierte Geldströme von Nord nach Süd und wieder zurück veranschaulichte er mit plakativen Vergleichen: Einer brennenden amerikanischen Postkutsche, einem 50-Euro-Schein, der in einen Schredder wandert und mit dem Gang zur Autowerkstatt.

Beim Publikum kam das an. Die erste Stunde der anspruchsvollen Vorlesung hing es gebannt an seinen Lippen. In Stunde zwei war dann doch leichte Unruhe im Saal zu verspüren - vermutlich weil vor lauter Target- und Ela-Krediten die Zuhörer Ohrensausen bekamen. Doch bei dem griffigen Rettungsplan, den Sinn vorlegte, horchten die Zuhörer wieder auf. Ein Punkt darin beinhaltete den temporären Austritt "peripherer Länder" - sprich: Griechenland - aus dem Euro. Auch bei der geplanten Bankenunion müsse man noch justieren.

Aber wie, so fragte ein Zuhörer, könnte der private Rettungsschirm aussehen? Sinns Tipp: "Eine Eigentumswohnung kaufen oder eine Wohnung renovieren." Oder einfacher: "Alles aufessen." Ob das dem Gautinger Publikum genug war? Nach dem Vortrag sammelte sich jedenfalls noch ein großer Anhängerkreis um Sinn, mit Fragen über Fragen, während der Professor seinen Beamer abbaute.

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