Gauting:Schweizer Leidkultur

Gauting: War früher Gitarristin und Sängerin einer Punk-Band: die Schweizer Kabarettistin Lisa Catena bei ihrem Auftritt im Gautinger Kulturhaus Bosco.

War früher Gitarristin und Sängerin einer Punk-Band: die Schweizer Kabarettistin Lisa Catena bei ihrem Auftritt im Gautinger Kulturhaus Bosco.

(Foto: Arlet Ulfers)

Komikerin Lisa Catena beweist in ihrem Programm "Grüzi Deutschland", dass Satire weh tun muss. Manche ihrer Pointen sind so hintersinnig, dass der Applaus im Bosco mit Verzögerung einsetzt

Von Blanche Mamer, Gauting

"Ich krieg ein Bier. Ich krieg auch ein Bier", O-Ton der Deutschen in der Kneipe. Krieg, krieg, krieg überall - die Schweizer dagegen sind viel friedlicher und sehr langsam: "Bitte entschuldigen Sie, ich wollte nur fragen, ob Sie mir vielleicht ein Bierli bringen könnten, wenn's Ihnen nichts ausmacht." Auf unnachahmliche Weise, auch wegen des leichten Einschlags von Bärndütsch, erklärt die junge Schweizer Komikerin Lisa Catena die Unterschiede zwischen Deutschen und Schweizern und lässt dabei fast kein deutsches oder Schweizer Klischee aus. Mit ihrem Programm "Gruezi Deutschland" am Donnerstag im Bosco zeigt sie mit dem Finger auf eine Reihe von Merkwürdigkeiten, nicht nur bei sich daheim, sondern auch über die Grenze hinweg. Ihr Blick von außen auf die politische Landschaft der BRD ist erfrischend, doch unterschwellig bitterböse. Und manchmal so hintersinnig, dass bei etlichen Pointen der Groschen beim Publikum erst mit Verspätung fällt.

Die 36-Jährige aus der Bundeshauptstadt Bern, die sich als Tochter von Ex-Hippies outet, ihre Kindheit als Waldorf-Schülerin und ihre Jugend als Gitarristin und Sängerin in einer Punkband persifliert ( gekifft hat sie auch) kommt von ihrem Mother-Fucker-T-Shirt bei Omas 80. zum Thema Leitkultur und den unterschiedlichen Interpretationen dieses Unworts. Sie beschwört die Zuschauer im gut gefüllten Bosco ja nur nicht den Humor zu verlieren, was nicht leicht ist, angesichts der vielen evangelikalen Freikirchler, Langzeitstillerinnen, Salafisten, Impfgegnern und anderen Extremisten. Klar ist, extrem sind immer die Anderen. Zwar lehnt sie selbst Extremismus total ab, glaubt an gar nichts, wie sie sagt. Allerdings, als Fußballfan könnte sie durchaus anfällig sein für extreme Ansichten.

Direkte Demokratie wie in der Schweiz ist in Deutschland kaum vorstellbar, funktioniert aber gut als Projektion für politisch Frustrierte. Trotz der kulturellen Unterschiede gibt es vieles, was die Schweizer und die Deutschen verbindet, das hat sie genau untersucht und aufgeschrieben.

Die Deutschen haben die Flüchtlinge, die Schweizer müssen 40 000 Ossis, die meisten aus Sachsen, integrieren. Die fühlen sich in der Schweiz sehr wohl, sind sie doch endlich in einem Land, wo ihr Dialekt als hochdeutsch gilt. Selbst wenn man sie nicht liebt, abschieben kommt nicht in Frage, denn wegen Pegida ist Sachsen kein sicheres Herkunftsland mehr.

"Bürger mit Frustrationshintergrund" finden sich nicht nur in Deutschland, sondern auch bei den Eidgenossen. Egal ob im deutschen Bundestag oder im Bundesrat in Bern, es wird viel geschwafelt. Catena zeigt das an Hand ihres Phrasomats: Beliebige Sprechblasen, nach farbigen Spickzetteln geordnet, kombiniert mit jeweils gleichen Posen, werden zu einer Grundsatzrede, die immer und überall gelten kann.

Kann man als Satiriker von seinen Witzen leben? Ja, sagt sie, außer bei Charlie Hebdo. Satire müsse weh tun und doch lustig sein, erklärt sie. Und schlägt vor, mit Spott gegen Erdogan, Trump oder Boris Johnson vorzugehen. In schöner Trump-Pose heißt das: "Make assholes small again". Oder "Man merkt erst im Nachhinein, welche Flasche man gewählt hat." Und als Zugabe zählt sie einige "letzte Worte" auf: Keine Angst, auf der Strecke kenne ich jede Kurve - Natürlich sind das stillgelegte Geleise - Ja, ich habe die Sicherung herausgenommen - Du schießt ja eh nicht, du Feigling. Großartig.

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