Gauting:Schubert von Goisern

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Musikkabarettist und Stimmenimitator André Hartmann improvisiert bei seinem Benefizabend für den SZ-Adventskalender sehr gekonnt am Flügel und mischt Klassik, Schlager und Volkslieder zusammen

Von Gerhard Summer, Gauting

Die Musikgeschichte kann schon sehr verwirrend sein. Das Haydnröslein zum Beispiel stammt von Schubert, obwohl das kaum einer annehmen würde. "Summertime" wiederum, der Jazz-Standard, ist im Grunde ein Samba und außerdem ein Song, der zu Inge Meysel gepasst hätte, wenn die Schauspielerin jemals einen Einsatz hingekriegt hätte. Der Pianist André Hartmann führt gleich auch vor, wie das klingt, wenn er den Schleudergang anwirft und alles durcheinanderwirbelt: Er verquirlt am Flügel Reinhard Meys "Über den Wolken" mit Wolfgang Ambros' "Schifoan" und das Harry-Lime-Thema aus dem Thriller "Der dritte Mann" mit den "Capri-Fischern". Oder, was besonders gut passt, Eric Saties "Gymnopedie" mit dem Edith-Piaf-Chanson "La vie en rose".

Das Schönste daran ist: Der Musikkabarettist improvisiert - er reagiert blitzschnell auf Zuruf seines Publikums im ausverkauften Gautinger Bosco. Schließlich ist dieses Sonderprogramm für die Spendenaktion der SZ, den Adventskalender, über weite Strecken ein Wunschkonzert, das auf Hartmanns Programm "Radio Aktiv" basiert. "Griechischer Wein" also in der Fassung von Schubert? Beethoven? Falco? Kein Problem. Hartmann hat auch den Rap des Österreichers drauf, bringt ein paar Zeilen aus "Jeanny" unter und schmuggelt, weil das Ganze im Wald spielt, die ersten Takte von "O Tannenbaum" rein. Dieser Mann ist ein Klang produzierendes Fusionskraftwerk und eine wandelnde Musikbibliothek. Und eine der phonetisch schönsten Mixturen entsteht, als zwei Zuhörer einen Schlager in Versionen von Schubert und Hubert von Goisern vorschlagen. Hartmann kombiniert: "Schubert von Goisern". Und findet das selbst so lustig, dass er's aufschreibt.

Ganz Ohr: André Hartmann reagiert bei seinem Benefizabend in Gauting auf Publikumswünsche. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Dass man sich bei diesem Benefizabend oft nicht mehr vor Lachen einkriegt, hat mit einer weiteren Hartmann-Spezialität zu tun: Auch der Witz des 40-Jährigen funktioniert nach dem Sammelsurium-Prinzip. Der Starnberger lässt kaum etwas aus, ob Ulk, Blödsinn, Tiefgang oder bemerkenswerte Schlagfertigkeit. Hartmann hat außerdem eine große Vorliebe für Verballhornungen und wüste Wortspiele. Zwei seiner schönsten Kalauer: Als er "Hoch auf dem gelben Wagen" auf Finnisch singen soll, kommentiert er: "Da haben Sie recht, machen wir Schluss". Und in der Rolle der Angela Merkel behauptet er, dass die Kanzlerin einen Ort nach Barack Obama benannt hat - "Obammagau".

Dazu kommt, dass Hartmann als Imitator mehr Politiker, Promis und Musikstars aufmarschieren lässt, als auf dieser großen Bühne Platz hätten. Er versteht sich auf die bräsige Endlosschleife von Altbürgermeister Christian Ude genauso wie auf den aufgeregt gestelzten Zehn-Minuten-Hauptbahnhof-Stoiber. Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer kriegt er locker mit flockigem Singsang und abgehackten Silben hin. Inge Meysel kommt wunderbar larmoyant und mit leichten Gebissproblemen daher. Hartmann sagt: Sie hatte so viele Haare auf den Zähnen, dass sie die Dinger "nachts rausnahm zum Kämmen". Und auch Heino, Roy Black, Franz Beckenbauer, Rudi Carrell und der knödelnde Max Raabe reihen sich in die Parade ein.

Am überzeugendsten ist Hartmann als Meysel und in seiner früheren Nockherberg-Rolle als Ex-Kanzler Schröder. Dieses fiese Lachen! Dieses männliche Gehabe! Wobei das eine Sauerei ist: Die Kohl-Imitatoren hatten 16 Jahre lang ausgesorgt, sagt Hartmann, doch bei ihm war nach sieben Jahren Schluss mit dem Reserve-Kanzler. Ja, es gibt Kabarettbesucher, die wollen den Schröder nicht mehr hören: "Machst halt an Merkel sei' Frau!" Aber zum Glück hat Hartmann noch die Musik und kann Volkslieder auch auf Chinesisch, Finnisch, Russisch oder Italienisch singen, wobei dann immerhin noch die Wodka-Marke Moskovskaya und Silvio Berlusconis "Bunga bunga"-Partys herauszuhören sind. Was von dieser Nachhilfestunde des Musiklehrers bleibt? Letztlich geht alle Musik auf Bach zurück, sagt Hartmann. Und irgendwie hat er recht. Viel Gelächter und donnernder Applaus im Bosco.

Christian Krügel, der zweite Vorstandsvorsitzende des SZ-Adventskalenders, hatte vor Hartmanns Auftritt beeindruckende Zahlen genannt. Demnach spendeten die Leser der Süddeutschen Zeitung seit 1948 etwa 131 Millionen Euro für Menschen in Not. Allein im vergangenen Jahr kamen 6,2 Millionen Euro zusammen.

© SZ vom 01.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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