Gauting:Rockmusik im Schneegestöber

Bands und Hunderte Zuschauer trotzen bei einem Openair-Festival im Winter mit warmen Mützen und Glühwein der Kälte.

Michael Berzl

Schlagzeuger und Sängerin tragen bei ihrem Auftritt Wollmützen, der Applaus fällt verhalten aus, weil die Zuhörer ihre Hände lieber in den Hosentaschen wärmen. Aber es funktioniert: Man kann mitten im Winter ein Openair-Festival organisieren. Den Veranstaltern des Gautinger Kulturspektakels ist gelungen, Bands dafür zu begeistern, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Freien aufzutreten und genügend junge Leute zu mobilisieren, sich das anzuschauen. Mehrere hundert Besucher sind am Wochenende zu der Gratisveranstaltung auf dem Gelände der Grundschule gekommen, die in dieser Art bisher wohl weit und breit einzigartig ist. Openair-Festivals sind ja sonst eher im Sommer üblich. Ein paar Mitarbeitern im Kulturspektakel-Team war aber die festivalfreie Zeit zu lang. Das Außergewöhnliche lockte sie, und so wurde die zunächst verrückt klingende Idee geboren, auch im Winter ein paar Bands auf Freiluftbühnen spielen zu lassen. Ausgerechnet im Urlaub in Malaysia hat sich Martin Rother aus Starnberg vorgenommen, diese Idee in die Tat umzusetzen. Mit Veranstaltungstechniker Tobias McFadden, der schon lange im Organisationsteam des Kulturspektakels engagiert ist, fand er einen routinierten und professionellen Mitstreiter. Das erste Gautinger Winterkult haben dann etwa ein Dutzend junge Leute in relativ kurzer Vorbereitungszeit von nur knapp zwei Monaten auf die Beine gestellt. Und sie haben sich einiges einfallen lassen, um für die ungewöhnlichen Rahmenbedingungen gewappnet zu sein. So wurde in den Buden auch Glühwein und Punsch, Kartoffelsuppe und Chili verkauft. Ausnahmsweise gab es auch Whisky oder Wodka. In Eisentonnen brannten Holzscheite, damit sich die Zuschauer dort wärmen konnten. Wer durchgefroren war, konnte zeitweise eine zur Sauna aufgeheizte Holzbude aufsuchen und danach mit einem Sprung in ein mit eiskaltem Wasser gefülltes Planschbecken seinen Kreislauf in Schwung bringen. Auch sonst war einiges anders bei diesem Festival der besonderen Art. Da stand zum Beispiel eine junge Frau mit Snowboard mitten im Publikum. Sie war vom Skifahren in St. Anton direkt auf das Schulgelände gekommen. Am Bühnenrand waren Heizstrahler für die Musiker postiert. Für die Bands waren die Auftritte eine ungewohnte Herausforderung. So hatte sich etwa Mikolas Hammerer von "Tonwertkorrektur" mit einer warmen Mütze auf dem Kopf ans Schlagzeug gesetzt. Bassist Julian Kincses warb um Verständnis: "Es ist hier in der Tat sehr kalt. Darum entschuldigt bitte Patzer, die kältebedingt entstehen". Das kann passieren, wenn man wie die zierliche Sängerin und Pianistin Lena Britzelmair aus Fürstenfeldbruck mit klammen Fingern in die Tasten haut. "Das ist im Sommer schon angenehmer. Aber es war schon schön hier", sagte sie nach ihrem Auftritt. Auch Sänger Rüdiger Sinn von "Erscheinungsmuseum" nahm's locker: "War gar nicht so schlimm", sagte er. Gitarristen, die viel "fiedeln, also schnelle Soli spielen müssten, hätten es schon schwerer. Während seines Auftritts am Freitag hat ein Schneegestöber das Schulgelände in eine tief verschneite Winterlandschaft verwandelt. Immerhin waren die Musiker währenddessen unter einem Glasdach geschützt. Trotz Schneetreibens, Kälte und Wind war der Andrang am Abend jeweils groß. Bis zu 300 junge Leute haben sich auf dem Schulgelände getummelt, schätzt die Polizei. Die Gautinger Inspektion hatte sich extra Verstärkung geholt, weil kaum abzuschätzen war, wie viele Besucher tatsächlich kommen würden. Doch bis Sonntagmittag gab es keinerlei Probleme - nicht einmal Beschwerden von Anliegern: McFadden hat selbst mit Messungen überwacht, dass die erlaube Lautstärke nicht überschritten wird. Noch in der Nacht zum Montag mussten er und seine Helfer mit dem Aufräumen und Abbauen beginnen; schließlich war Auflage, dass der Schulbetrieb am Tag nach dem Festival ungestört weitergehen kann. Und bald treffen sich die passionierten Festivalveranstalter wieder, um das nächste Openair vorzubereiten: In einem halben Jahr findet ja wieder das sommerliche Kulturspektakel statt.

Winterkult in Gauting

Mit Wollmütze auf der Freiluftbühne: Die Bands absolvieren ihre Auftritte gut eingepackt. Foto: Fuchs

(Foto: Franz Xaver Fuchs)
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