Es ist nicht lange her, da hat Andreas Ruch Radio gehört – und auf einmal lauter gedreht. Er war unterwegs, im Auto, als der Beitrag lief. Darin ging es um ein Projekt, bei dem die Polizei in Schulen geht und die angehenden Absolventen den Sporttest machen lässt, den es braucht, um es auf die Polizeischule zu schaffen. Damit sich potenzielle Interessenten nicht allzu sehr von den Anforderungen der Prüfung abschrecken lassen, können Schüler den Test einfach mal machen. Und Ruch, Leiter der Gautinger Polizeiinspektion, hat sich gedacht: Warum machen wir das eigentlich nicht? Die Sache mit dem Nachwuchs ist schließlich überall ein Thema.
Ein paar Monate später steht Ruch an einem Sommervormittag in der Sporthalle der Gautinger Realschule. Um ihn herum laufen, rennen und springen 38 Neuntklässler herum – Ruchs im Auto geborene Idee ist Realität geworden. Wobei man dazu sagen muss: So schwierig war die Umsetzung nicht. Es ist ja nicht das erste Projekt der Polizei dieser Art. Und außerdem mussten die Beteiligten nicht lange überzeugt werden: die bei der Polizei zuständige Abteilung für die Nachwuchsakquise, die Lehrerin Jennifer Eggert – alle waren sofort dabei. Und auch die 38 Schüler waren schnell gefunden, immerhin findet der Sporttest während der Unterrichtszeit statt.
Neben einem Sprach- und einem Grundfähigkeitstest, bei dem es vor allem um logisches Denken geht, ist die Sportprüfung die dritte Hürde auf dem Weg an die Polizeischule. Dabei muss man ein bestimmtes Gewicht drücken, einen Sprinttest und den Cooper-Test absolvieren, bei dem man als Mindestanforderung in zwölf Minuten mindestens 2000 (Frauen) beziehungsweise 2300 Meter (Männer) laufen muss. Am schwierigsten ist wohl das Springen: mit beiden Beinen abdrücken. Über die Bank. Nach rechts. Nach links. Und wieder zurück. 30 Sekunden lang. Mindestens 34 Mal. Sonst hat man die Mindestvorgabe nicht erreicht.
„Die 30 Sekunden werden lang“, erklärt Andrea Schmied. Die Polizistin ist als Einstellungsberaterin für die Nachwuchsakquise in ihrer Behörde zuständig. Und deshalb steht sie an diesem Vormittag in der Sporthalle der Gautinger Realschule und sieht den Schülerinnen und Schülern beim Hüpfen, Laufen, Rennen und Bankdrücken zu. 38 Interessierte haben sich gemeldet, die einfach mal schauen wollen: Schaffe ich das? Das Wort „Sporttest“ schreckt manche schließlich ab. Man wolle ein bisschen „die Hemmungen nehmen“, erklärt Schmied.
Ja, sagt Finn, „es ist auf jeden Fall machbar.“ Der 16-Jährige würde gerne Polizist werden. Ein Praktikum hat er bereits gemacht, ein zweites soll folgen. Auch Helena und Nina, beide 16, sind sich sicher, dass sie den Test bestehen würden, wenn es drauf ankommt. Aber ob der Polizeidienst für sie tatsächlich infrage kommt? Schwierige Frage, sagt Nina. „Der Job ist sicher spannend.“ Aber sie ist sich nicht sicher, ob sie ihn machen könnte – immerhin haben Polizisten ja nicht nur angenehme Begegnungen mit anderen Menschen.
Auch deshalb wird die Polizei wohl bald ein Nachwuchsproblem haben. Noch könne man zwar alle Ausbildungsstellen besetzen, erzählt Schmied. Die Frage sei nur: Wie lange noch? Der demografische Wandel wirbelt den Arbeitsmarkt jetzt schon durcheinander, und wenn es immer weniger Berufseinsteiger gibt, konkurrieren Firmen und Behörden um die besten Kräfte. „Das betrifft alle Arbeitgeber“, sagt Schmied. Allerdings können Unternehmen mit höheren Gehältern locken, wenn es die Situation erfordert. Der Staat kann das nicht. Er bezahlt seine Richter, Ingenieure und Polizisten nach Tarif. „Der Fachkräftemangel wird in Zukunft ein großes Problem“, glaubt Inspektionsleiter Ruch.
Deshalb will Ruch schon jetzt aktiv auf Jugendliche zugehen und sie für die Polizei begeistern. „Wir brauchen Leute aus der Region für die Region“, erklärt er. Denn gerade außerhalb der Großstadt sei die Beziehung zwischen Polizei und Bevölkerung besonders wichtig – und die lässt sich besser aufbauen, wenn jemand aus dem Ort kommt und dort bleibt. Dass die Polizei auf der Suche nach neuen Kolleginnen und Kollegen in diesem Jahr in Realschulen geht, hat übrigens einen einfachen Grund: Weil es im kommenden Jahr keinen Abiturjahrgang gibt, ist die Konkurrenz nicht so groß. „Die Chancen waren noch nie so gut“, sagt Lehrerin Eggert über die Perspektiven ihrer Schüler bei der Polizei.
Eine knappe Stunde ist rum in der Gautinger Turnhalle, Zeit für ein Zwischenfazit. Wie stellen sich die potenziellen Nachwuchskräfte denn an beim Sporttest? Inspektionsleiter Ruch ist selbstverständlich begeistert. „Das läuft super“, sagt er. Und auch Polizeihauptmeister Julian Kolein, der es als Judoka mal fast zu Olympia geschafft hat und an diesem Vormittag sozusagen den Trainer für die Jugendlichen gibt, ist zufrieden. „Alle versuchen, ihr Bestes aus sich rauszuholen“, sagt er. Und: Es sei niemand dabei, für den der Sporttest überhaupt nicht zu schaffen sei. Zudem sei allein der Kontakt mit den Jugendlichen wichtig. Ins Gespräch kommen, Berührungsängste abbauen – für Kolein ist allein das schon ein Erfolg der Sportstunde in Gauting.