Angesichts des doch etwas dürftigen Besuchs zumindest im Vergleich zum Konzert der erwachsenen Mitglieder des Pianistenclubs München sollte vielleicht zunächst ein mögliches Missverständnis ausgeräumt werden: Was unter dem Titel "Musikalische Highflyer" im Programm des Kleinen Sommerfestivals in der Remise im Gautinger Schlosspark stand, war kein Schülervorspiel, auch wenn das Alter der auftretenden Instrumentalisten zwischen zwölf und 16 Jahren lag. Die jungen Musiker sind allesamt Preisträger nationaler und internationaler Wettbewerbe, steuern auf ein Musikstudium zu und sind vor allem dank der zeitgemäßen Didaktik keine Notentext-Nachspieler, sondern Musiker mit individuellem Charakter und ausgeprägter Persönlichkeit.
Mag sein, dass noch die Reife fehlt, aber ist es nicht sowieso lebenslang ein work in progress? Gerade das Ringen nach persönlichem Ausdruck, nach einer eigenen Interpretation machte den von Bernd Schmidt, dem Initiator des Pianistenclubs, moderierten Klavierabend so besonders und spannend. Die Überflieger verfügen noch über kein großes Repertoire und trugen vor, was sie gerade einstudiert haben, was die weite Streuung im Konzertprogramm erklärte. Aber die Abwechslung und der Vortrag von teils selten gespielten Werken sorgten für einen einem Festival gerechten Charakter des Konzerts.

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Die größte Überraschung war wohl der Auftritt der in Stuttgart unterrichteten, erst zwölfjährigen Helena Belgardt, die Erfolge auch mit ihrer Violine feiert. Was sie technisch beherrscht, bewies sie mit der Chopin-Étude op. 10/8, die sie virtuos und höchst engagiert präsentierte. Aber noch mehr erstaunte ihr Spiel im Trio mit der 14-jährigen Geigerin Elisabeth Gühring und dem 13-jährigen Cellisten Martin Helling. Sich in dem Alter an Drořáks Dumky-Trio op. 90 heranzuwagen, lässt schon aufhorchen. Das glänzend aufeinander eingespielte Trio beherrscht die Grundvoraussetzung des kammermusikalischen Musizierens: aufeinander zu hören.
In höchster Konzentration war es den drei Musikern möglich, eine schlüssige Dramaturgie mit klarem Spannungsaufbau ins inhaltliche Auf und Ab zu bringen und einen substanzvollen Klangkörper zu kreieren, der wendig gemäß der wechselnden Charaktere in der Färbung zu changieren vermochte. So betörten etwa die langsamen Sätze mit warmer Klangschönheit, andererseits rissen Tänze geradezu vom Stuhl.

Anna Plotkina ist mit ihrem Alter von 13 Jahren nur unwesentlich älter als Belgardt und war eher der in sich ruhende Pol des Abends. Selbst wenn ihr Vortrag nicht weniger Virtuoses in sich barg, schien sich die Freiburgerin in ihrer eigenen Bilderwelt zu entfalten. Selbst in den Prélude op. 32/5 und op. 23/7 von Rachmaninow fand sie einen narrativen Zugriff, der sich in den programmatischen Fantasiestücken op. 12 ("Des Abends", "Aufschwung" und "Traumes-Wirren") als noch idealer dazu erwies, eigene Klangbilder und Ausdrucksnuancen vom ruhigen, melancholischen Dahinfließen bis zum vitalen Wirbeln zu kreieren.

Dafür wählte Sophie Berns, mit 16 Jahren die älteste im Bunde und Neuzugang im Pianistenclub aus Nordrhein-Westfallen, Schumanns "Drei Romanzen" op. 28. Allerdings waren ihre Ausdrucksmittel strikter den pianistischen Parametern verpflichtet. Sie fokussierte die spieltechnischen Finessen, was ihr Spiel kraftvoller und spannungsreicher wirken ließ. Ein adäquater Zugriff, um anschließend "Kalypso" aus den "Metopen" op. 29 des zeitgenössischen polnischen Komponisten Karol Szymanowski trotz bisweilen impressionistischer Auflösung klar zu konturieren und einen schlüssigen Verlauf von ausdrucksstarker Emotionalität zu kreieren.
Auch der 15-jährige Nelson Zhang musste für Nikolai Kapustins Konzertetüde op. 40/8 (Finale) diesen Weg beschreiten, um das furiose Spiel über einem kraftvollen Groove mit der nötigen Energie aufzuladen. Aber zuvor zeigte der höchst konzentrierte und ähnlich wie Berns spieltechnisch ausgerichtete Zhang, dass er auch die sanfteren Klänge sowie geistvolles Gestalten beherrscht. Einerseits in der barocken Variante von Bachs Toccata BWV 912 mit schlankem Nonlegato, andererseits sphärisch verklärt in der Debussy-Étude Nr. 11 ("Pour les arpèges composés"). Frenetischer Applaus war allen Jungmusikern des Abends verdientermaßen sicher.