Umfrage:Was die Gautinger an ihrem Ort mögen - und was nicht

Kostenfreie Parkplätze in Gauting

Viel Verkehr, wenig Aufenthaltsqualität und dazu noch gestalterische Defizite: Das sind die Schwächen in der Gautinger Ortsmitte.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Nur jeder Fünfte würde sich mit Freunden im Zentrum verabreden. Obwohl andere Aspekte positiv bewertet werden, empfindet manch ein Gemeinderat das als "schockierend".

Von Michael Berzl

"Die Ortsmitte von Gauting ist draußen in Buchendorf beim Kiefl": Mit dieser etwas übertriebenen und wenig schmeichelhaften Bemerkung beschreibt der Münchner Wirtschaftsgeograf Ralf Popien ein zentrales Problem der Würmtalgemeinde. Den Ort selbst empfinden viele als so wenig einladend, dass sie lieber ein Stück raus fahren würden zum Gartencenter mit angeschlossener Gastronomie, um einen Kaffee zu trinken. Gauting bietet wenig Aufenthaltsqualität, das hat auch eine Umfrage im Auftrag der Gemeinde wieder ergeben; so eine Erhebung des Einkaufsverhaltens gibt es etwa alle sechs Jahre. Als Beilage in einem Anzeigenblatt wurden im November Fragebögen verteilt; 465 davon kamen zurück und wurden ausgewertet; die Ergebnisse hat Popien am Dienstag im Gemeinderat vorgestellt.

Als "ganz besonders bitter" bezeichnet er ein Resultat: Auf die Frage, ob er sich im Ortszentrum mit Freunden treffen würde, hat nur jeder Fünfte mit Ja geantwortet. Die überwiegende Mehrheit kann das Zentrum Gautings nicht als Treffpunkt empfehlen. Als "schockierend" empfindet diese Erkenntnis CSU-Gemeinderat Stephan Ebner. Das Urteil über den Ort hat Ursachen. Als große Schwächen identifiziert Popien, dass eine attraktive Außengastronomie fehle, dass die Geschäfte anders als zum Beispiel in Planegg weit auseinander an zwei Durchgangsstraßen liegen: "Das ist ein großes Problem, dass sich das alles nicht zu Fuß abklappern lässt."

Schreibwarenladen 'Ratzefummel'

Guter Service und gute Beratung wie in dem Schreibwarenladen von Kirsten Platzer sind Pluspunkte in der Gautinger Geschäftswelt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Außerdem stellt er "erhebliche städtebauliche sowie Gestaltungs-Defizite" fest. Flapsig ausgedrückt: Schön ist anders. Von der siebtreichsten Gemeinde dieser Größenordnung in Deutschland, was die Kaufkraft betrifft, habe auch er sich anderes erwartet. Die Diskrepanz zwischen Reichtum und Gestaltungsdefiziten sei bemerkenswert. Das Gebäue am Hauptplatz mit einem Bio-Supermarkt im Erdgeschoss sei "fast schon ein planerischer Missgriff".

Aber auch die Stärken Gautings wurden in der neuen Umfrage deutlich. So gaben 60 Prozent an, sie könnten ihren täglichen Bedarf im Ort decken. Zudem fühlen sich die Kunden dort offenbar in guten Händen. Popien hob die Service- und Beratungsqualität inhabergeführter Geschäfte hervor. Ein großer Vorteil ist in seinen Augen auch, dass Kunden vor den Geschäften kostenlos ihr Auto parken können. Er findet es außerdem richtig, dass bei dem neuen Gebäudekomplex der Firma Sontowski mit Läden im Erdgeschoss ebenfalls oberirdische Parkplätze vorgesehen sind. Dieses Projekt werde seiner Ansicht nach dazu beitragen, den Sanierungsstau in Gauting aufzulösen - unabhängig von der architektonischen Gestaltung, wie Popien betonte.

Ketten sind die Gewinner

Wo kaufen die Gautinger ein, welche Läden bevorzugen sie, und wie kommen sie dorthin? Das sind Fragen, die der Münchner Wirtschaftsgeograf Ralf Popien im Auftrag der Gemeinde gestellt hat. Herausgekommen ist ein 60-seitiger Tabellenband mit umfangreichen Erläuterungen, die nun den Kommunalpolitikern zur Verfügung stehen.

Ladenketten sind demnach beliebt beim Einkaufen, auch bei Obst und Gemüse. Zu etwa 80 Prozent werde der Bedarf bei Ketten gedeckt, berichtet Popien. Der Wochenmarkt auf dem August-Hörmann-Platz habe dagegen in dem Segment nur eine geringe Bedeutung. Der Anteil betrage sieben Prozent. Gezeigt hat sich außerdem, wie beliebt der Edeka in Stockdorf ist, auch in Gauting. Zwar gibt es auch in Gauting einen Drogeriemarkt, dennoch sind erhebliche Kaufkraftabflüsse nach Neuried (18 Prozent) und Gilching (elf Prozent) festzustellen. Der Einzelhandels-Fachmann führt das auf die Parkplatzproblematik vor dem Geschäft an der Starnberger Straße zurück.

Wenig überraschend: Das Auto ist das wichtigste Transportmittel. Wer ein eigenes Fahrzeug hat, nutzt es in der Regel auch, um seine Einkäufe nach Hause zu bringen. Etwa 90 Prozent sind das laut Befragung. Bus und Bahn spielen dagegen kaum eine Rolle und machen nur zwei Prozent aus. Öffentlich fährt nur, wer muss, folgert der Experte. rzl

Die neuen Zahlen über das Einkaufsverhalten der Gautinger haben diesmal einen besonderen Stellenwert angesichts der Debatten über einen neuen Supermarkt an der Ammerseestraße. Der Laden soll auf dem ehemaligen AOA-Firmengelände am Rand eines neuen Wohngebiets entstehen, ist aber umstritten. Eine Mehrheit von 58 Prozent hat sich in der Befragung für das neue Geschäft ausgesprochen. Und so lautet auch die klare Empfehlung des Fachmanns. Er sieht darin eine Chance, eine wohnortnahe Versorgung zu schaffen.

Gemeinderätin Stephanie Pahl von der Gruppierung "Miteinander-Füreinander 82131", die den Supermarkt ablehnt, sprach daher von einer "Werbeveranstaltung für einen Vollsortimenter", die Befragung hält sie für nicht repräsentativ und nicht relevant.

Popien wies den Vorwurf der Parteilichkeit zurück und sagte: "Ich bin nicht befangen." Der promovierte Geograf und Universitätsdozent, der seine Dissertation über die Attraktivität von Ortszentren geschrieben hat, hat schon für zahlreiche Kommunen Gutachten erstellt, unter anderem für Schäftlarn und für Utting, wo es um eine Verträglichkeitsanalyse für einen Discounter ging. Zu den Aussagen über Gauting erklärte Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU): "Es sind Ergebnisse herausgekommen, mit denen wir umgehen müssen." Ergebnisse anzuzweifeln, die jemandem politisch nicht gefallen, nannte sie ein "Gautinger Problem".

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