Wirtschaft Lilium droht mit Rückzug aus Oberpfaffenhofen

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Die senkrecht startenden E-Jets von Lilium sollen die Mobilitätswende vorantreiben und die Luftfahrt revolutionieren.
Die senkrecht startenden E-Jets von Lilium sollen die Mobilitätswende vorantreiben und die Luftfahrt revolutionieren. (Foto: dpa)

Der Flugtaxi-Hersteller überlegt, große Teile seiner Produktion ins Ausland zu verlagern. Welche Folgen das für die Beschäftigten am deutschen Standort haben könnte, ist unklar.

Von Linus Freymark, Gauting

Eines ist klar: Lilium braucht für sein Vorhaben viel Geld. Der Flugtaxi-Entwickler, dessen Verwaltung in Oberpfaffenhofen beheimatet ist, tüftelt weiterhin an seinen Modellen. Eigentlich hätte noch in diesem Jahr der erste bemannte Flug stattfinden sollen. Doch das Unternehmen musste nun mitteilen, dass sich der Termin auf Anfang 2025 verschiebt. Und weil Zeit bekanntlich Geld ist, kostet jede Verzögerung. Dabei ist das, was Lilium vorhat, teuer genug: Die Firma will senkrecht startende E-Jets auf den Markt bringen, in denen vier bis sechs Personen kurze Strecken auf dem Luftweg absolvieren können.

Etwa 1,5 Milliarden Euro haben Investoren bereits in die Entwicklung dieser Flugobjekte gepumpt. Nun aber braucht das Unternehmen neues Geld. Und droht auf der Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten damit, dem Standort Deutschland den Rücken zu kehren. Die Marktsituation sei in Ländern wie den USA, China und Frankreich deutlich günstiger und die Chance auf staatliche Unterstützung höher. Und so berichtete das Handelsblatt, Lilium prüfe einen Verkauf an ausländische Investoren sowie einen Abzug vom Sonderflughafen Oberpfaffenhofen.

Wie konkret sind aber die Auswanderungspläne? Und was bedeuten die Überlegungen für den Standort und die knapp 1000 Beschäftigten dort? Ein Unternehmenssprecher teilt auf SZ-Anfrage lediglich mit, man wolle sich nicht an öffentlichen Spekulationen beteiligen. Doch die Zeichen stehen eher weniger auf einen baldigen Abzug mit konkretem Aufbruchsdatum: Zumindest feilt man am Firmen-Standort an der Galileostraße, der sich auf Gautinger Gemeindegebiet befindet, gerade an seinem E-Jet, der nun immerhin im kommenden Jahr erstmals abheben soll. Die Serienproduktion soll 2026 anlaufen.

Während das Interesse an Liliums Flugobjekten im Ausland durchaus beachtlich zu sein scheint, haben sich die Lilium-Verantwortlichen zuletzt immer wieder über fehlende Unterstützung aus Deutschland beklagt. Seit Längerem liegt Lilium wegen weiterer Finanzierungen im Zwist mit der bayerischen Staatsregierung. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) inszeniert sich zwar gerne als großer Förderer der Luft- und Raumfahrt. Anders blickt man dagegen im bayerischen Wirtschaftsministerium auf die Materie: Der zuständige Minister Hubert Aiwanger (FW) verweigerte Lilium sowie dem Konkurrenten Volocopter zuletzt staatliche Bürgschaften mit dem Argument, das Risiko eines Totalausfalls sei zu hoch.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) befasste sich im Juni auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin eingehend mit Lilium.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) befasste sich im Juni auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin eingehend mit Lilium. (Foto: Ralf Hirschberger/AFP)

Auch die Prüfung eines Kredits der staatlichen KfW-Bank über 100 Millionen Euro ist noch immer nicht abgeschlossen. Öffentliche Gedankenspiele über eine Verlagerung ins Ausland dürften den Druck auf den Staat erhöhen, hier schnell eine Entscheidung zu treffen. In Berlin dagegen scheint Lilium mehr Gehör zu finden als in München. Anfang Juni hatte sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin eingehend mit Lilium befasst. Branchenbeobachter hatten daraus ein Signal für die Unterstützung des Unternehmens durch die Bundesregierung abgelesen.

Gleichzeitig steht Lilium offenbar in engem Kontakt mit der französischen Regierung, weshalb dort auch eine Ausweitung der Produktionskapazitäten im Raum steht. Auswirkungen auf die Produktion in Gauting sollen die Expansionspläne im Nachbarland aber nicht haben. Doch in Paris ist man offenbar überzeugt von den Flugtaxis aus Oberpfaffenhofen. Insgesamt könnte Frankreich in den kommenden Jahren bis zu 400 Millionen Euro in das Unternehmen pumpen. Lilium dürften dabei die Kontakte von Aufsichtsratschef Thomas Enders zugute kommen: Der ehemalige Airbus-Chef gilt aufgrund seines früheren Engagements als bestens vernetzt. Auch Lilium-Chef Klaus Roewe sowie weitere Führungskräfte haben eine Vergangenheit bei Airbus.

Seit seiner Gründung 2015 hat sich Lilium stets als internationales Unternehmen verstanden. Der juristische Sitz befindet sich in Amsterdam, die Aktie ist an der US-amerikanischen Börse Nasdaq gelistet. Gleichzeitig ist das in Anlehnung an den Luftfahrt-Pionier Otto Lilienthal benannte Unternehmen einst mit dem Ziel angetreten, eine Zukunftstechnologie der Luftfahrt in Deutschland zu realisieren, trotz der im internationalen Vergleich ungünstigeren Standortbedingungen. Nun könnte Lilium von diesem Ziel abrücken – zumindest teilweise.

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