Gauting:Lyrisch und virtuos

Gauting: Verena Maria Schmid, Hana Katsenes, Berthold Schindler und Manuel Winckhler zeigen ihr Können in der Remise von Schloss Fußberg.

Verena Maria Schmid, Hana Katsenes, Berthold Schindler und Manuel Winckhler zeigen ihr Können in der Remise von Schloss Fußberg.

(Foto: Arlet Ulfers)

Das Vokalensemble "Vodeon" steht im Mittelpunkt des kleinen Sommerfestivals in Schloss Fußberg

Von Reinhard Palmer, Gauting

Junge Kunst ist schnell, kurzlebig, spart sich die künstlerische Transformation und sagt direkt aus, was sie meint, ist personalisiert und exhibitionistisch. Die neuen Medien und sozialen Netzwerke haben die Ausdrucksweise der jüngeren Generationen nachhaltig geprägt. Slam-Poetry ist ein Musterbeispiel dafür. Sprachlicher Tiefgang bremst aus, fordert ein Nachdenken, ja ein mühsames Interpretieren, daher weg damit. Redewendungen und Gemeinplätze sind leichter erfasst, erlauben es den Zuhörern, selbst bei hohem Vortragstempo zu folgen. Klischeeerfüllung mache glücklich, sagte Felicia "Fee" Brembeck in einer Moderation, bevor sie mit einer überschwänglichen, gereimten Eloge auf den Zustand der Verliebtheit ihrem Vornamen alle Ehre machte. Deshalb heißt dieses Genre auch nicht Lyrik, sondern Poetry, und man reimt um die Wette. Wem das Publikum mehr klatscht, der gewinnt. Ein Widerspruch zum tradierten, auf nicht messbarer Einzigartigkeit basierenden Kunstbegriff. Insofern stand hier in der Gautinger Remise des Schlosses Fußberg beim Kleinen Sommerfestival doch ein extremer Kontrast auf dem Programm.

Und das sogar in einer Person vereint: Fee ist nicht nur eine erfolgreiche Slam-Poetin, sondern auch eine klassische Gesangsstudentin, die mit dem Vortrag von Bernsteins "Build my House" aus "Peter Pan" einen warmen, einfühlsamen und klangrunden Alt vorführte, entsprechend klangschön von Amy Brinkman-Davis aus Colorado am Flügel begleitet.

Aber nein, Fee war diesmal nicht die Protagonistin. Im Fokus stand das Münchner Vokalensemble Vodeon, hier unter der Leitung von Clayton Bowman aus Pittsburgh. Es sind acht teils an der Münchner Musikhochschule ausgebildete Gesangssolisten, die in verschiedenen Besetzungen auftreten. In die Remise kam ein Quartett: Verena Maria Schmid (Sopran), Hana Katsenes (Alt), Berthold Schindler (Tenor) und Manuel Winckhler (Bass). Eine Reduktion, die den kammermusikalischen Charakter stärker hervorhob. Also explizit kein Mini-Chor, sondern vier Einzelstimmen, die sich zu einem runden Klangkörper ausbalancierten, aber auch solistisch ihr Können zeigten.

Und sie hatten ein ausgefeiltes Programm konzipiert mit vielen Komponisten und verschiedenen Genres. Was allerdings für die zahlreichen Zuhörer nur schlecht nachvollziehbar blieb. Im Programm verrieten die Protagonisten nur das Repertoire, aber nicht dessen Reihenfolge. Bei manchen Stücken musste man raten, ein paar sagte Fee in einer ellenlangen Aufzählung an. So etwas bringt nur Unruhe in den Saal und verunsicherte hier das zahlreiche Publikum was den Applaus anbetrifft.

Die Gegenüberstellungen von Poetry und tiefgeistiger Lyrik der vokalen Vertonungen sowie zwischen gesprochenem Wort und Musik sollten aber nicht die einzigen Kontraste im Programm bleiben. Bestimmt wurde es von den US-amerikanischen Komponisten des 20 Jahrhunderts: Randall Thompson, Samuel Barber, Dominick Argento, Aaron Copland, Leonard Bernstein, Charles Ives und Philip Glass (Klavier solo). Atonalität ist in dieser Musik kein Thema. Alle Vokalwerke standen auch in gewisser Weise in der Tradition der Musik der Schwarzen und des Musicals: Oft narrativ, in den schnellen Stücken bisweilen skandiert, meist aber melodiös, ja hymnisch. Das Kontrastmittel: Brahms mit seiner romantisch breiten Feinsinnigkeit, empfindsamen Ausdrucksweise und warmen Ensemblefarbigkeit, so insbesondere in "Waldesnacht op. 62/3 a cappella, das die vier Vokalisten mit satter Substanz in einen weiten Bogen spannten. Allenfalls Barbers "Nocturne" op. 13/4 konnte mit seinem gefühlvollen Fließen dieser Ausdruckskraft standhalten.

Eine aparte Mischung, die aber vor allem dem Vodeon-Ensemble Wendigkeit und große Hingabe bescheinigte. Vom ersten Ton an war der schön austarierte Klangkörper konsequent in der jeweiligen Materie versunken und von der Atmosphäre her einhellig - untereinander wie mit der Klavierbegleitung. Schumanns Hebbel-Vertonung "Nachtlied" in der Zugabe ging noch einen Schritt weiter in die auspräzisierte Klangtiefe.

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