Die Gautinger Hausbesetzer Sebastian Hofmüller und Ernst Matthias Friedrich haben wieder zugeschlagen: Am Samstagabend verwandelten sie im Rahmen von "Kunst in der Kolonie" das heimelige Wohnzimmer der Familie von Kracht in eine Musikkneipe und versammelten die eingeschworenen Fans dieser höchst charmanten Veranstaltungsreihe zum 41. Mal um sich. Der Münchner Chansonwriter Stefan Noelle brachte sein ebenfalls ausgesprochen charmantes - und obendrein perfekt zum Wetter passendes - aktuelles Programm "Meinetwegen im Regen" und auch gleich noch den Klarinettisten und Flötisten Max Braun mit.
Stefan Noelle ist ein Schlagzeuger auf Abwegen. Neben diversen Verpflichtungen in der Jazz-Szene und auch neben dem Musikkabarett-Duo "Unsere Lieblinge", mit dem er sich bereits in die Herzen des Gautinger Publikums gespielt hat, entstehen seit einigen Jahren eigene Songs. Anders als auf der Anfang des Jahres erschienenen gleichnamigen Debüt-CD tritt er als Hausbesetzer in kleinster Besetzung auf und spielt selbst Gitarre anstatt Schlagzeug und Rahmentrommel.
Aber ohnehin ist Stefan Noelle in diesem Programm in erster Linie ein Geschichtenerzähler, die Musik schmiegt sich erst nachträglich um und unter seine kunstvoll gedrechselten Wortspielereien. Sein Begleiter Max Braun sorgt höchst versiert und abwechselnd an Bassklarinette und Flöte für die warmen und weichen Farben. Als Songschreiber sieht Noelle sich in der Tradition der großen europäischen Liedermacher, Chansonniers und Cantautori, aber er hat auch lange genug Schlager der Dreißiger- bis Fünfzigerjahre gesungen, um diese zutiefst zu verinnerlichen. Ein bisschen Georg Kreisler und ein bisschen Reinhard Mey, vor allem aber die in jeder Zeile hörbare Liebe zur Sprache und ein eigenwillig-abgründiger Humor machen seine Lieder aus.
Und so macht er sich mit dem in mehrfacher Hinsicht programmatischen Herbstlied "Gib nochmal Saft, bevor Du gehst" auf den Weg, singt - nicht minder herbstlich - über "Paarkommunikation für Fortgeschrittene" und kommt mit der Melancholie eines Mannes, der die Midlife Crisis bereits hinter sich hat, zu dem Schluss: "Es geht auch anders, aber so geht es auch."
Der erste Teil des Abends ist bestimmt von nachdenklichen, sehnsuchtsvollen und zuweilen beinahe altersmilden Betrachtungen über das Leben. "Von hundertprozentig erfunden bis hundertprozentig erlebt" sei alles dabei, sagt Songschreiber Noelle in seinen geradezu fredlesken Zwischentexten, die manchmal mehr erzählen als das Lied selbst. Dann aber nähert er sich zügig seinem eigentlichen Thema, nämlich der Liebe mit all ihren Tücken und Kunststücken.
Er begehrt Frauen mit norddeutschen Namen, er verführt sie frivol-fröhlich mit "Erdbeerbowle" oder walzerwiegend mit "Pralinen, Portwein und schwarzem Kaffee". Er "laucht" ihnen ins Ohr, "lavendelt" mit ihnen im Park und fragt lüstern "Willst du mit mir fencheln?"
Er fordert "Komm diskutier mit mir bis nachts um vier", denn "Intelligenz ist sexy". Er liebt sie trotz seines tätowierten Herzens und wegen seiner "wetterunabhängigen Hormone". Er ist im Herbst "genauso geil auf dich", er treibt es am liebsten in D-Dur und zuweilen mit schmachtender Schlagerschnulzensängerstimme, mit Augenzwinkern und einem verschmitzten Lächeln, in Paris oder Prag, mit Schirm und mit Hut, mit Gier und mit Glut.
Und ja, meinetwegen natürlich auch im Regen.