Gauting:Leidenschaftlich, ergriffen, großartig

Gauting: St. Benedikt Weihnachtsoratorium

Der Chor St. Benedikt und die Orchestervereinigung Gauting führten das Weihnachtsoratorium auf.

(Foto: Nila Thiel)

Die Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach in Gauting verlangt Solisten, Musikern und Chor alles ab

Von Patrizia Steipe, Gauting

Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach gehört für viele genauso zur Weihnacht wie Christmette und Christbaum. Aus der heimischen Musikanlage ertönen dann die sechs Kantaten oft als Hintergrundmusik zu Bescherung oder Festessen. Der großartigen Musik Johann Sebastian Bachs wird man dadurch nicht gerecht. Die für die Gottesdienste zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag und dem Dreikönigstag komponierten Kantaten entfalten ihre Wirkung eben am besten an dem Ort, für den sie bestimmt waren: in einer Kirche. Eine Aufführung der Kantaten vier bis sechs hat in diesem Jahr der Verein der Musikfreunde Gauting in Zusammenarbeit mit der Kirchenmusik Sankt Benedikt in die Katholische Pfarrkirche Sankt Benedikt gebracht. Die in festliches Schwarz gekleideten Musiker der Orchestervereinigung Gauting mit Leiter Dorian Keilhack, der Chor Sankt Benedikt und die Solisten Annina Wachter (Sopran), Eva Schöler (Alt), Richard Resch (Tenor) und Christian Hilz (Bass) füllten den Altarraum. Der mit riesigen Strohsternen und roten Wachsmodeln geschmückte Christbaum gab dem Ganzen eine feierliche Note. Während der Aufführung blieben die Augen der Besucher immer wieder an der Wandmalerei hängen: Maria, Josef, Ochs' und Esel sowie ein Hirtenpaar blicken auf einen vergnügten Jesus, der aus seiner Krippe auf einen Hirtenbuben lacht.

"Fallt mit Danken, fallt mit Loben vor des Höchsten Gnadenthron" stimmte der Chor ein. Großes Kompliment an Johannes Schachtner, der seinen Sängern äußerste Präzision abverlangte, dabei aber nicht den eigentlichen Zweck des Gesangs, Gott zu ehren, vergessen hatte. Die Kantate 4 hat Bach eigentlich für das Fest der Beschneidung Christi am 1. Januar vorgesehen. Im Zentrum steht die Echo-Arie mit ihrem Fragen- und Antwortspiel. Die junge Koloratursopranistin Annina Wachter aus Tirol beschwor mit ihrer warmen Stimme das Echo der Oboe. Den Fragen des Soprans antwortete eine zweite Sopranstimme - das Christkind selbst - das effektvoll von der entgegengesetzten Empore durch den Kirchenraum schallte. In den Kantaten 5 und 6, die Bach für den Sonntag nach Neujahr und für Heilige Drei Könige geschrieben hat, steht der Besuch der Weisen aus dem Morgenland im Zentrum. Richard Resch als Evangelist intonierte die Bibelzitate mit musikalischer Souveränität. "Was will der Höllen Schrecken nun, was will uns Welt und Sünde tun, da wir in Jesu Hände ruhn?" Die vier Solisten wuchsen in diesem Rezitativ zu einer klanglichen Einheit zusammen und gaben eine Kostprobe Bachscher Polyphonie.

Aber auch schauspielerisches Talent wurde den Sängern abverlangt. So verzerrte der Sänger im Part des falschen Herodes, der vorgibt das Kindlein anbeten zu wollen, das Gesicht zur Fratze. Am Schluss jubelten die Choristen "Tod, Teufel, Sünd und Hölle sind ganz und gar geschwächt; bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht". Kontemplative Teile, leidenschaftliche Arien, konzertante Choräle und würdevolle Rezitative verfehlten beim Weihnachtsoratorium ihre Wirkung nicht. Sichtlich ergriffen von dem großartigen Klang gab es minutenlangen Applaus und - für Kirchenkonzerte ungewöhnliches - Fußgetrampel.

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