Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Wie ein Bauer konventionelle und ökologische Landwirtschaft verbindet

Roland Koböck hat nach dem Volksbegehren fünf Hektar seines Ackers bedrohten Arten gewidmet. Der Bund Naturschutz hält das Projekt für geglückt. Doch der Bauer muss auf die Hälfte seines Ertrags verzichten.

Von Armin Greune

Lässt sich konventionelle Landwirtschaft mit dem Streben nach Artenreichtum vereinen? Dieser Frage sind Roland Koböck und seine Partnerin Anni Friedl aus Mitterwies bei Unterbrunn gemeinsam mit der Kreisgruppe Starnberg im Bund Naturschutz (BN) nachgegangen. Im zweiten Jahr ziehen die Beteiligten eine positive Zwischenbilanz - zumindest, was die Wiederansiedlung von gefährdeten Wildkräutern betrifft: "Wer den Acker besucht, dem geht das Herz auf. Oben steht die Feldfrucht sauber da, der Blick zwischen die Halme aber lässt die vielen Arten entdecken. Dort blüht es und die unterschiedlichsten Insekten fliegen, schwirren und krabbeln. Am Himmel singen die Lerchen und die Wachteln rufen im Acker." Anders sieht es in ertragstechnischer Hinsicht aus: Um die biologische Vielfalt zu fördern, nimmt der Landwirt Produktionsausfälle von mehr als 50 Prozent in Kauf.

Wie viele Kollegen hatte Koböck das Volksbegehren "Rettet die Bienen" ins Grübeln gebracht. Der konventionell wirtschaftende Bauer ließ sich beim BN beraten und widmet seitdem fünf Hektar des Betriebs zumindest teilweise dem Schutz seltener Blühpflanzen, die Insekten- und Vogelartenreichtum fördern. Auf zweieinhalb Hektar seiner Ackerflächen hat er nördlich vom Kieswerk an der Weßlinger Straße eine Blühwiese angelegt. Entscheidend dabei ist, autochthones, also an den eigenen Standort angepasstes Saatgut zu verwenden - mit 08/15-Wildblumensamen aus dem Großhandel tut man heimischen Insekten keinen Gefallen. Oft dominieren in den Mischungen einjährige Blumen aus Nordamerika oder dem Mittelmeerraum.

Auf weiteren zweieinhalb Hektar entstand neben der Blumenwiese ein Acker, der neben der angebauten Kulturfrucht auch selten gewordenen Wildkräutern Platz lässt. Etwa ein Drittel der 300 Arten stehen auf der Roten Liste. Mit doppeltem Reihenabstand sowie dem Verzicht auf Kunstdünger und Herbizide konnte sich dort eine standorttypische Ackerbegleitflora entwickeln. Wuchernde "Unkräuter" wurden nur in aufwendiger Handarbeit bekämpft. So haben sich etwa Nachtlichtnelke, Ackerröte und Gezähnter Feldsalat vermehrt. Finkensame und der attraktive Ackerrittersporn wurden nachgesät, dafür stellte sich der konkurrenzschwache, sehr seltene Frauenspiegel von selbst ein.

Für Wildkräuter biete Koböcks Acker am Rand der Münchner Schotterebene gute Voraussetzungen, wie Experten des BN festgestellt haben, denn die lehmigen Oberböden auf sandig-kiesigen Untergrund erwärmen sich rasch. Die lichten Reihen im Acker nutzen Feldlerche und Wachtel zum Brüten. Zwischen dem Hafer des Vorjahres und dem diesjährigen Dinkel wächst ein Blühangebot, das die Vielfalt an Insekten fördert. Was wiederum den Vögeln zu Gute kommt, die eiweißhaltige Nahrung für die Aufzucht der Jungen benötigen.

Der Artenreichtum bedeutet für Koböck aber auch Einnahmeverluste: Dem Landwirt bringt der lebendige Acker maximal die Hälfte des normalen Ertrags. Dieser Ausfall wird über Patenschaften privater Förderer vergütet. BN-Kreisgeschäftsführerin Helene Falk hält zwar eigentlich staatliche Förderungen für angebracht, sie freut sich aber auch darüber, "dass die Bürger die Landwirte mit dem Problem nicht alleine lassen".

Informationen im Internet: www.bluehpatenschaft-muenchen.de /ackerwildkrautpatenschaft

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Quelle:
SZ vom 13.07.2020
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