Süddeutsche Zeitung

Notfallausrüstung demoliert:Zerstörungen nach illegaler Partynacht in Gauting

Rund 200 Leute feierten verbotenerweise in einem ehemaligen Krankenhaus. Dort lagerte medizinisches Material für den Katastrophenfall - das ist jetzt nicht mehr nutzbar.

Von Michael Berzl, Gauting

Zusammengerollte Matratzen in Plastikhüllen, Kopfkissen, zahllose Kartons mit weißen Bettlaken, Handtüchern, Putzzeug und Wischmopps. Das alles ist auf blauen Rollwagen verstaut, die in Gängen und Zimmern eines ungenutzten Gebäudes auf dem Gelände der Asklepios-Klinik in Gauting stehen. Es ist die Ausstattung für ein Not-Krankenhaus, die seit dem Frühjahr hier eingelagert ist. Am vergangenen Wochenende haben sich Gäste einer illegalen Party dort ausgetobt, Kartons aufgerissen, Laken herausgezerrt, um damit Fenster zuzuhängen, Matratzen drei Etagen höher ins Dachgeschoß getragen, um sich dort ein Nachtlager einzurichten.

Damit haben die jungen Leute Schaden in einer Tragweite angerichtet, die ihnen selbst wohl nicht bewusst war. Das im Katastrophenfall vom Freistaat Bayern beschaffte Krankenhaus-Inventar ist nur noch eingeschränkt einsetzbar, weil derzeit niemand weiß, was fehlt. Die Inventur wird Tage dauern, glaubt Kreisbrandrat Peter Bauch, der sich am Mittwoch bei einem Ortstermin zusammen mit seinen Kollegen vom Katastrophenschutz und Klinik-Geschäftsführer Jörgen Wißler einen Überblick verschafft hat, was bei der Feier in der Nacht zum Sonntag angerichtet wurde.

Es ist klamm und kalt in dem seit vielen Jahren ungenutzten Gebäude am Rand des weitläufigen Klinik-Geländes. Die Heizkörper sind abmontiert, das Licht funktioniert nicht, weil auch die Stromleitungen gekappt sind. In der Luft hängt ein muffiger Geruch. An einer Aufzugtüre klebt ein Zettel mit der Aufschrift "Set". Ein Hinweis, dass das Gelände auch schon für Filmaufnahmen genutzt wurde. Unter anderem entstanden in Gauting Szenen für den Kinofilm "Colonia Dignidad" mit Emma Watson. Auch als Kulisse für Krimis diente das Gelände. Für November hat sich wieder ein Filmteam angekündigt, um Szenen für die Netflix-Produktion "Biohackers" zu drehen.

Die morbide Atmosphäre eines lost place dürfte seinen besonderen Reiz auch auf die Partyveranstalter ausgeübt haben, die offenbar geradezu konspirativ vorgegangen sind. Über Instagram wurde für die Veranstaltung auf dem Gelände einer Lungenklinik geworben, während die Corona-Pandemie zu einem bundesweiten Lockdown führte. Über eine Online-Plattform wurden die Tickets verkauft, mit Frühbucherrabatt für fünf Euro. Als die Polizei auf einen Anruf hin gegen 1.40 Uhr mit mehreren Streifenwagen anrückte, um die Feier aufzulösen, waren viele Gäste schon auf dem Rückweg zur S-Bahn; die Organisatoren hatten sich wohl schon aus dem Staub gemacht. Von den bis zu 200 Gästen waren noch 15 übrig, gegen die nun wegen Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen die Infektionsschutzgesetze ermittelt wird. Außerdem erwägt die Klinikleitung, selbst weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Wegen der Schäden wären auch Regressansprüche denkbar.

Die angerichteten Sachschäden an dem ungenutzten Krankenhausbau sind überschaubar. Auf die Außenwand sind zwei Graffiti in den Farben lila und grün gesprüht, die wohl als Wegweiser dienen sollten. Ein Fenster im Keller wurde eingeschlagen, eine Tür aufgebrochen. Wände sind mit roter Farbe verschmiert, Hinterlassenschaften wie Zigarettenkippen, Schnapsflaschen und McDonalds-Tüten liegen am Boden. Im ganzen Gebäude, auf sämtlichen Etagen vom Schwimmbad im Keller bis zum Gymnastikraum im Dachgeschoss hat die Partygesellschaft ihre Spuren hinterlassen. Eine kleine Bar wurde aufgebaut mit Deko-Tischdecke mit kleinen Gespenstern als Motiv. Darauf stehen jetzt noch eine Flasche Jägermeister und Plastikbecher, dahinter liegen Tüten mit leeren Weinflaschen.

Größer ist jedoch der Schaden an dem eingelagerten Material des Katastrophenschutzes. Dutzendweise sind Kartons in Griffhöhe aufgerissen. "Das müssen wir jetzt alles auspacken und nachzählen", erklärt Kreisbrandmeister Anton Pain beim Rundgang. Ehrenamtliche Mitglieder der Feuerwehr würden diese mühselige Arbeit übernehmen. Ein Klinikmitarbeiter vermutet, dass auch einiges gestohlen wurde.

Es ist ein umfangreicher Fundus, der hier lagert. Auf einem Sattelschlepper habe das Technische Hilfswerk die Klinikausstattung im Frühjahr geliefert, berichtet Pain; 60 Euro-Paletten waren das. Der Landkreis hatte die Aufgabe, das Material einzulagern. Man wollte gewappnet sein für den Fall, dass sich die Corona-Pandemie so sehr ausbreitet, dass Patienten in provisorische Unterkünfte verlegt werden müssen. Dabei kam in Betracht, andere stillgelegte Kliniken zu reaktivieren, Hotels zu beziehen oder sogar ein Zeltlager zu errichten. Zum Einlagern schienen die ungenutzten Räume in Gauting ideal zu sein, bis die Party-People kamen.

Für die Silvester-Nacht werde man sich etwas überlegen, um nicht wieder eine unangenehme Überraschung zu erleben, sagte Kreisbrandrat Bauch. Klinikgeschäftsführer Wißler denkt bereits darüber nach, einen Wachdienst zu engagieren.

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SZ vom 05.11.2020/lfr
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