Stellenweise bröckelt schon der Putz von der Außenfassade, drinnen auf einem Fenstersims sind noch alte Schulbücher zu sehen. Doch unterrichtet wird hier seit Jahren nicht mehr. Das große Schulhaus an der Bahnhofstraße in Gauting steht leer. Noch in dieser Woche soll eine Entscheidung über einen Neubau auf dem Grundstück fallen. Die Gemeinderäte sollen sich am Donnerstag entscheiden zwischen drei Vorschlägen von Kaufinteressenten, die auf der Fläche in zentraler Lage ein Wohn- und Geschäftshaus mit bis zu fünf Stockwerken bauen wollen. Deren Namen sind noch geheim, ebenso der Preis, den sie bezahlen wollen.
Die Zeit drängt. Gautings Bürgermeisterin Brigitte Kössinger will den Grundstücksverkauf noch im Dezember über die Bühne bringen, denn sie braucht das Geld. Ihre Kämmerin Heike Seyberth rechnet fest mit den Einnahmen aus dem Immobiliengeschäft. Wie hoch die sein werden, kann sie noch nicht verraten; das hängt auch davon ab, welcher Bieter den Zuschlag erhält. Die Summe müsste jedoch deutlich über sechs Millionen Euro liegen. Mit dem Geld sollen nachträglich vor allem die Ausgaben für den Umbau der ehemaligen Realschule zur Grundschule gedeckt werden. Verträge mit allen drei Interessenten sind "ausverhandelt", sagte Kössinger der SZ. Sobald der Gemeinderat eine Entscheidung getroffen hat, könnte also ein Notartermin vereinbart werden. Nach jahrelangem Stillstand, etlichen Konzepten und Gutachten, öffentlichen Debatten in Workshops unter Anleitung eines Wiener Universitätsprofessors mit viel Bürgerbeteiligung und gescheiterten Versuchen, eine geeignete Lösung zu finden, könnte es nun ganz schnell gehen.
Zu schnell, finden einige Kommunalpolitiker. Mit einem unguten Gefühl blicken sie der Sitzung entgegen, in der immerhin eine sehr wichtige Entscheidung über die städtebauliche Entwicklung im Zentrum von Gauting fällt. Es gibt Gemeinderäte, denen keiner der vorgelegten Entwürfe so richtig gut gefällt. Andere würden die Bürger gerne mehr beteiligen. Die Grünen hätten gerne mehr Zeit und fordern, zunächst die Entwürfe vorzustellen und die Beschlussfassung darüber zu verschieben. Ein entsprechender Antrag liegt dem Gemeinderat vor. SPD-Fraktionssprecherin Julia Ney und Tobias McFadden (Piratenpartei) haben durchgesetzt, dass vor der Sitzung am Donnerstag, die um 19.30 Uhr beginnt, von 19 Uhr an eine Bürgerfragestunde stattfindet. Die Entwürfe der Bauträger sind bisher nur einem kleinen Kreis bekannt, vor allem Gemeinderäten und Teilen der Rathausverwaltung. In einer nichtöffentlichen Sitzung des Bauausschusses waren sie vorgestellt worden, in Bietergesprächen wurde nachverhandelt und nachgebessert. Fünf Stockwerke hoch wird das Gebäude an der Bahnhofstraße. Im Erdgeschoss sind Ladenflächen vorgesehen, darüber Büros oder Praxen und Wohnungen. Über die städtebaulichen Akzente, die die jeweiligen Planer setzen, ist wenig bekannt. Dem Vernehmen nach haben nur zwei der drei Entwürfe eine Chance, sich durchzusetzen: ein Zweckbau mit viel Glas und Beton und eine unkonventionellere Gebäudeform mit einer recht lebhaften Fassade zur Bahnhofstraße hin. Wer der jeweilige Bauträger und Architekt ist, wissen selbst die Gemeinderäte nicht.
Eingangen sind diese Vorschläge nach einer öffentlichen Ausschreibung der Gemeinde. Das Interesse hielt sich in Grenzen; nicht einmal zehn Bieter haben sich beteiligt. Für die Ausschreibung und die Vorauswahl hat die Gemeinde vor zwei Jahren das Projektsteuerungsbüro Drees & Sommer eingeschaltet.
Bei ihrer Entscheidung am Donnerstag müssen die Gemeinderäte einen Kriterienkatalog berücksichtigen. Demnach fließen zu jeweils 40 Prozent ein, wie sehr ein Entwurf städtebaulich überzeugt und wie hoch der Preis ist; ob die vorgesehene Nutzung den Vorstellungen der Gemeinde entspricht, wird mit weiteren 20 Prozent gewichtet.