Wilde Tiere in Gauting:Wenn Dachs Berti in die Fotofalle tappt

Wilde Tiere in Gauting: Wer alles nachts durch den heimischen Garten stromert, das hält die Wildkamera der Gautinger Familie Rauch fest.

Wer alles nachts durch den heimischen Garten stromert, das hält die Wildkamera der Gautinger Familie Rauch fest.

(Foto: Arlet Ulfers)

Immer wieder laufen Wildtiere einer Gautinger Familie im Garten vor die Nachtkamera - bis das benachbarte Wohnungsbau-Grundstück gerodet wird.

Von Sabine Bader

"Berti gehört schon dazu - wie das Christkind und der Osterhase", sagt Barbara Rauch. Dabei ist Berti keine Märchenfigur und auch nicht der Familienhund oder das Meerschweinchen, sondern ein wild lebender Dachs. Ein nächtlicher Besucher, der durch den Garten der Familie stromert, der in Gauting an das brach liegende Grundstück hinter dem AOA-Gelände angrenzt, das bald bebaut werden soll. Vor acht Jahren haben die Eheleute gegenüber ihr Einfamilienhaus gebaut. Sie und ihre beiden Töchter kennen ihren tierischen Gast nur von Fotos, die ihre Wildkamera im Dunklen aufgenommen hat. "Doch wir haben unsere helle Freude an Berti", sagt die 42-Jährige Mutter.

Seit einigen Tagen lässt sich der Dachs allerdings nicht mehr blicken, nachdem eine Forstmaschine das kleine Wäldchen auf dem Grundstück gegenüber, das dem Katholischen Siedlungswerk gehört, gerodet und zu Kleinholz verarbeitet hat. Die Familie hofft aber noch und würde sich freuen, wenn das Tier trotz des ungewohnten Brachlands vor seinem Bau noch eine Weile dort wohnen bliebt.

Die beiden Töchter im Alter von drei und fünf Jahren finden es besonders spanend, schon morgens auf dem Handy der Mutter zu schauen, ob der Dachs Berti sie nachts wieder besucht hat. Manchmal ist es statt Berti auch ein Fuchs oder eine Katze, die auf den Aufnahmen zu sehen sind. Die Kindern freuen sich jedenfalls über Wildlife im Familiengarten.

Wie genau Berti nachts in den Garten gelangt, ist Barbara Rauch ein Rätsel. "Eigentlich ist unser Grundstück rundum gut eingezäunt." Überhaupt ist die 42-Jährige überzeugt, dass es sich dabei nicht immer um dasselbe Tier handelt, sondern um Mitglieder einer ganzen Dachsfamilie. Den die Tiere auf den Bildern der Wildkamera unterscheiden sich ihrer Beobachtungen nach in ihrer Größe deutlich. Aus Fachbüchern ist ersichtlich, dass die Länge von Dachsen zwischen 55 und 90 Zentimetern variiert und ein Tier bis zu 17 Kilogramm schwer werden kann. Egal, wie viele Mitglieder die Dachsfamilie hat: Bei den Rauchs heißen sie alle "Berti". Das ist ihr persönlicher Gattungsname. Ihren Bau haben die Dachse aber nicht auf dem Familiengrundstück, sondern auf dem Grundstück gegenüber, zwischen Ammerseestraße und Pötschener Straße in einen Hügel gegraben. Die Ein- und Ausgänge sind mit einem Durchmesser von etwa einem halben Meter deutlich zu erkennen.

Die Rauchs haben sich ihre Wildkamera eigentlich nur angeschafft, weil ihnen aufgefallen ist, dass in ihrem Garten ständig Grasnarben weggescharrt sind. "Da wollten wir wissen, wer dies macht", sagt Barbara Rauch. Für Dachse, die sich in den Waldgebieten und im Dickicht unterirdische und zum Teil mehrstöckige Bauten graben, gehört das Scharren im Erdreich im wahrsten Sinne des Wortes zum täglichen Brot.

Denn im Boden suchen die Allesfresser nach kleinen Wirbeltieren, Insekten und Pflanzen. Barbara Rauch hat von einem Jäger auch gehört, dass die zur Familie der Marder zählenden Raubtiere gerne Süßes vertilgen. "Vielleicht kommen sie auch deshalb zu uns", vermutet sie. Denn in ihrem Garten gibt es immerhin zwei Apfelbäume, einen Walnussbaum sowie einen Holunderstrauch.

Eines ist klar: Bis auf dem insgesamt 3,4 Hektar großen Gebiet tatsächlich gebaut wird, kann es noch einige Zeit dauern, schließlich ist auf dem Areal noch nichts genehmigt. Auf lange Sicht, da macht sich Barbara Rauch natürlich keine Illusionen, werden sich die Dachse eine andere Bleibe buddeln. "Berti wird schon so klug sein und in den nahen Wald ziehen", hofft sie.

Debatte um Wohnungsbau

Das Grundstück zwischen Ammerseestraße und Pötschener Straße, auf dem in der vergangenen Woche ein Wäldchen gerodet wurde, soll mit Wohnhäusern bebaut werden. Geplant ist dort eine Siedlung mit Platz für mehrere Hundert Menschen; die genaue Zahl steht noch nicht fest. Auch ein Supermarkt ist in dem Teil des Geländes vorgesehen, auf dem jetzt noch die früheren Firmengebäude von AOA-Apparatebau stehen.

Allerdings sind die Debatten über Ausmaße und Gestaltung der neuen Bebauung des etwa drei Hektar großen Areals noch lange nicht abgeschlossen. Eigentümer sind die Gemeinde, das Katholische Siedlungswerk, der Verband Wohnen und eine Erbengemeinschaft aus der Nürnberger Familie Diehl. Grundlage ist ein Entwurf des Münchner Architekturbüros von Hans-Peter Hebensperger-Hüther. Demnach sollen einige Mehrfamilienhäuser mit bis zu fünf Etagen entstehen, außerdem eine Siedlung mit Flachbauten. Im Grundsatz dürfte diese Struktur auch erhalten bleiben, nach einem Planungsstopp im Rathaus und einer mehrheitlich beschlossenen Grundsatzentscheidung müssen nun aber Vorgaben für eine "sozial-ökologische Mustersiedlung" eingearbeitet werden.

Hinter verschlossenen Türen haben Mitglieder des Bauausschusses darüber bereits mit Grundeigentümern und Fachleuten diskutiert. An diesem Dienstag werden die Diskussionen in einer öffentlichen Sitzung des Bauausschusses fortgesetzt, die um 19.15 Uhr beginnt. Die Konkretisierung städtebaulicher Ziele und die Aufhebung des Planungsmoratoriums stehen aber erst am Ende der Tagesordnung. rzl

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