Gauting:Die ganze Fülle pianistischer Rhetorik

Gauting Bosco, Konzert, Claire Huangci

Nahm das Publikum dank hochkonzentrierter und harmonischer Bühnenpräsenz in die Ausdruckstiefen ihres Repertoires mit: Claire Huangci.

(Foto: Georgine Treybal)

Die preisgekrönte Virtuosin Claire Huangci verzaubert mit spieltechnischen Finessen

Von Reinhard Palmer, Gauting

Beethovens Pastorale-Symphonie (Nr. 6, F-Dur) in der Klavierversion von Liszt kommt nicht gerade häufig zur Aufführung. Vermutlich, weil sie lange Zeit allzu oberflächlich als reine Transkription betrachtet wurde. Claire Huangci, amerikanische Pianistin mit chinesischen Wurzeln, nahm im Gautinger Bosco eine andere Perspektive ein. Zurecht, denn Liszt war viel zu sehr Pianist, als dass es ihm lediglich um die Übertragung des Orchesterwerks auf ein einziges Instrument gegangen wäre. Sie richtete daher den Blick auf die pianistischen Mittel, die in der Transkription nicht nur im Dienste der Nachahmung der Orchesterinstrumente stehen, sondern vielmehr Ausdruck, Stimmungen und Wirkungen in eine neue Sprache übersetzen.

Mit diesem Fokus mutierte die grandiose Symphonie zu einem Feuerwerk spieltechnischer Finessen - dennoch im Geiste Beethovens, dem das breite pianistische Spektrum von Virtuosität und Bravour über malerische Farbigkeit bis hin zu Feinsinnigkeit keinesfalls fremd war. Zudem ist überliefert, dass er als Pianist seinen Notentext selbst gerne frei ausgestaltete.

Claire Huangci war vor zehn Jahren unter den Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs schon einmal in Gauting zu Gast. Damals stand sie noch stark unter Druck, sich an der Spitze zu etablieren. Diesmal entspannter, sich ihrer spieltechnischen wie musikalischen Gewandtheit sicher, vermochte sie das Publikum mit hochkonzentrierter, aber auch harmonischen Bühnenpräsenz in die Ausdruckstiefen ihres Repertoires mitzunehmen. Das war in der ersten Konzerthälfte umso beeindruckender, da es sich dort um Werke mit weniger emotionalem Potenzial handelte.

Gerade bei den Toccaten BWV 911 und 912, die ja fürs Cembalo komponiert weit von der Gestaltungsfülle des 19. Jahrhunderts entfernt sind. Aber wie Liszt war auch Bach zumindest in seinen jungen Jahren ein übermütiger Virtuose am Instrument, der es verstand, mit raffinierter Rhetorik alles auszudrücken, was ihm am Herzen lag. Auch diese frühen Werke aus dem Zyklus der sieben Toccaten kommen selten zur Aufführung, obgleich sie ja als eine Art Fantasien in ihrer Freiheit dazu geeignet sind, mit den Möglichkeiten des modernen Flügels interpretiert zu werden. Huangci nahm sich die Freiheit, verstand aber auch die teils irritierenden Elemente der Ausgestaltung als Spielarten am Cembalo, nahm sie daher zurück, um sie in die Sprache des Pianoforte adäquat zu übertragen.

Ihr Spektrum der spieltechnischen Differenzierung gab ihr dafür reichlich Optionen an die Hand, die Materie mit Klarheit und Transparenz zu bändigen - insbesondere wenn es darum ging, Fugenthemen und ihre Verarbeitung hörbar zu machen. Das cembalistisch perlende Nonlegato und funkelnde Staccato blieb vorherrschend, was im Kontrast den seltenen Legato-Einsätzen eine sangliche Wirkung bescherte. Bei der Dynamik orientierte sich Huangci deutlich an der Dichte der Textur und Fülle der Akkorde, half aber behutsam nach, um auch die Flügel-Sättigung ins Spiel zu bringen. Besonders expressive und dramatische Passagen profitierten davon enorm und verliehen den dreiteiligen Toccaten geradezu orchestrale Wirkungen.

Mozart beherrschte das bachsche Spiel mit der Textur meisterhaft, kannte aber auch schon die Möglichkeiten eines Hammerklaviers. Die Fülle der so erweiterten Gestaltungsmittel ist der Sonate a-Moll KV 310 denn auch immanent. Wie schon in Bachs Toccaten verstand es Huangci auch hier, die Zügel nur so weit zu lockern, dass die Ausdrucksmittel nicht gleich ins 19. Jahrhundert entglitten. Die starke Durchformung des reichen musikalischen Materials verwies auf die hammerklavieristische Feinsinnigkeit der Dynamik. Die größte Stärke der Interpretationen Huangcis blieb aber die Stimmigkeit in der Gesamtform, sowohl der einzelnen Sätze wie auch der Sonate insgesamt. Die dafür sorgsam ausgearbeitete Klarheit der Stimmverläufe machte das Hören zudem mühelos. Was Huangci noch einmal in der Zugabe mit Debussys "Doctor Gradus ad Parnassum" aus "Childrens Corner" eindrucksvoll - nun klangmalerisch nuanciert - unter Beweis stellte.

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