Gauting:Der Mann mit den zwei Leben

Oberbrunn, Max Grimm

Maz Grimm mit seinem neuen Elektroauto. Damit wird er auch weiterhin für das Gautinger Technik-Team unterwegs sein können.

(Foto: Georgine Treybal)

Maz Grimm hatte alles, bis er eines Tages zusammenbrach. Seither repariert er in Gauting kaputte Gerätschaften und unterstützt sozial Benachteiligte. Jetzt hat er selbst Hilfe gebraucht.

Von Carolin Fries, Gauting

Wenn Maz Grimm sitzt, dann wirkt das Leben des 58-Jährigen Oberbrunners unbeschwert. Die Sonne scheint in den Hinterhof, wo sich der Technik-Guru des Landkreises ein recht gemütliches Plätzchen eingerichtet hat, um eine Zigarette nach der anderen zu rauchen, dazu gibt's Kaffee aus der Thermoskanne. Steht Maz Grimm, ein Meister der Elektronik und Computerspezialist aber auf - was ihm nur langsam und mithilfe der blauen Krücken gelingt - wird klar: Hier ist gar nichts unbeschwert, ganz im Gegenteil. "Ich habe nur noch eine Restlaufzeit", sagt er dann.

Die Geschichte seines Lebens ist die eines Mannes, der alles hatte - und alles verlor. Und der anderen geholfen hat und dem nun selbst in der Not geholfen wird. Aber von Anfang an. Maz Grimm - eigentlich Mathias - reiste in seinem ersten Leben im Auftrag großer Firmen um die Welt, um Computertomografen und Mobiltelefone zu programmieren, um Maschinen für die Autoindustrie und Verbrennungsanlagen zu bauen. Grimm hat ein Elektronikstudium abgeschlossen und zusätzlich Fotografie und Grafikdesign studiert, Computertechnik und Programmierung habe er sich selbst beigebracht, sagt er. Er lebte in Mindelheim, heiratete eine Chinesin, war glücklich. Bis er eines Tages, da war er noch keine 50, zusammenbrach. Multiorganversagen. Seither ist er stark behindert, "es fühlt sich an wie ein Dauerrausch". Ein Jahr lang blieb er im Krankenhaus, in dieser Zeit löste sich dieses erste Leben quasi auf. In seinem zweiten Leben ist Maz Grimm erwerbsunfähig. Er kann sich schlecht konzentrieren, in Händen und Füßen hat er kaum Gefühl. Sein großes Wissen und sein Schaffensdrang sind freilich noch in gleichem Maße da, auch die Arbeitshose passt noch. Als er 2008 in Gauting landet, sucht er sich eine neue Aufgabe: Er gründet das Technik-Team, eine Art mobile Werkstatt, die obendrein sozial Benachteiligte unterstützt, indem diese die Leistungen vergünstigt in Anspruch nehmen können. Er selbst weiß, wie hart es ist, wenn kaum Geld da ist und dann die Waschmaschine ausfällt. Vor allem aber, wie es sich anfühlt, nicht mehr dazuzugehören. "Dann gibt es nur mehr Sonderveranstaltungen für die, die nicht mehr mithalten können." Maz Grimm ist viel unterwegs, er hatte sich ein Elektro-Zweirad geliehen. Bis er zu Beginn des Jahres stürzt und sich alle fünf Lendenwirbel bricht. Seither sitzt er im Rollstuhl, auf Krücken schafft er keine hundert Meter. Der Schmerz ist sein ständiger Begleiter, doch "wenn die Hände arbeiten, hat der Kopf frei", sagt er. Dann sei es auszuhalten, irgendwie. Maria Feichtner, seine Betreuerin von der Caritas hatte darum die Idee: Maz Grimm braucht ein eigenes Fahrzeug. Sie fragt bei diversen Stiftungen nach Spendengeldern für ein Elektromobil. Jetzt steht im Hof ein kleiner blauer Flitzer, der sogar den Transport von kleineren Gerätschaften ermöglicht. Die Beckenbauer-Stiftung, Antenne Bayern, die Marianne-Strauß-Stiftung sowie die gemeinnützige GmbH Grain haben es finanziert, Maz Grimm musste nur einen kleinen Betrag beisteuern. Maz Grimm ist dankbar, dass ihm geholfen wurde. Er schwärmt von der Sparsamkeit des schnittigen Gefährts, für dass er noch einen passenden Namen sucht und betont, dass es mit selbstgemachter Sonnenenergie fährt: Er habe ja nicht mehr viel von früher, sagt er. Aber irgendwo in Mindelheim stehe noch eine funktionstüchtige Solaranlage von ihm. Am allermeisten aber freut ihn, dass er nun wieder helfen kann. Wenn der Toaster den Geist aufgibt, der Dia-Projektor klemmt oder der Computer komische Fehlermeldungen ausspuckt. Wenn er davon erzählt, von seiner Werkstatt und den Tüfteleien, dann scheint es nie ein anderes Leben des Maz Grimm gegeben zu haben.

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