Gauting:Dem Wolf die Zunge rausgestreckt

Gauting: Unermüdlich: Heinrich Klug, vormaliger erster Solocellist der Münchner Philharmoniker und Träger des Tassilo-Preises der SZ.

Unermüdlich: Heinrich Klug, vormaliger erster Solocellist der Münchner Philharmoniker und Träger des Tassilo-Preises der SZ.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Heinrich Klug und Stefan Wilkening mit Prokofjews Musikmärchen im Gautinger Bosco

Von Reinhard Palmer, Gauting

Peter ist mutig und schlau. Denn er ist der Pionier Petja (so im ursprünglichen Titel), ein Musterbeispiel eines sowjetisch-kommunistischen Junghelden. Aber welchen Hintergrund die Geschichte auch hat: Kindern Mut zu machen, ist auf der ganzen Welt essentiell für die Vorbereitung aufs raue Leben in freier Wildbahn, wo genügend Wölfe lauern.

So machte "Peter und der Wolf" op. 67 von Sergei Prokofjew die Runde um die Welt. Die vom Komponisten mit fachlicher Unterstützung entworfene Fabel ist einfach gestrickt, umso flexibler in der Deutung und offener für Tiefgründiges. Aber auch für Prokofjews musikalisch-leitthematische Ausgestaltung von 1936, mit der Ex-Philharmoniker Heinrich Klug erneut mit ungebrochenem Elan den kleinsten Besuchern des ausverkauften Gautinger Bosco das Instrumentenspiel schmackhaft zu machen bemüht war. Von den zehn Musikern auf der Bühne gehörte das Streichquartett den Münchner Philharmonikern an, während Kontrabass, Schlagzeug und vier Bläser mit Mitgliedern des Odeon-Jugendsinfonieorchesters München besetzt waren. Allesamt waren in der Pause nach ihrer musikalischen Präsentation massiv belagert, als Probespielen für die Kinder ausgerufen war.

Einzelne Instrumente übernehmen in Prokofjews Geschichte bestimmte Rollen, die zur Demonstration von Klangfarben und Ausdruck von vornherein vorgesehen waren. So trällert die Flöte den Vogel, quakt die Oboe die Ente, umschmeichelt die Klarinette die Katze, brummelt das Fagott den Großvater, droht das Horn mit dem Wolf und donnert die große Trommel die Gewährschüsse.

Erzähler Stefan Wilkening nahm sich die jeweilige Figur aber auch darstellerisch mit viel Humor vor und mimte gekonnt Vogelflattern, Entenwatscheln oder Opa-Humpeln mit Krückstock. Das nahm der für die Kleinsten doch recht beängstigenden Geschichte mit der jagenden Katze, dem gefräßigen Wolf und den herumballernden Jägern etwas die Drastik. Wie sonst im Text neben frechen Sprüchen auch versöhnliche Lösungen hineingedichtet waren. "Die Ente war wohl nicht mehr ganz richtig im Kopf, streckte dem Wolf die Zunge raus und lief davon" - das konnte natürlich auf keinen Fall gut gehen. Dummheit wird eben bestraft. Aber selbst die verschlungene Ente zeigte sich hocherfreut, sicher aufgehoben in Wolfs Magen auf Reisen gehen zu können. Also in den Wald, denn entgegen der Zoo-Version Prokofjews folgte Wilkening dem Loriot-Text und brachte den von Peter mit Hilfe des Vogels gefangenen Wolf im Triumphzug durch den Bosco-Saal in den heimischen Wald zurück.

Dass Klug für die musikalischen Themen in bewährter Manier Texte mitgebracht und mit den Kindern den Gesang einstudiert hatte, half dabei, singend wieder an die Musik zu erinnern, die beim fesselnden Auftritt Wilkenings doch schnell in den Hintergrund geriet. Es blieb auch weiterhin schwer, den wunderbaren Zauber der erzählenden Musik in den Vordergrund zu rücken und diese so wichtigen Qualitäten der Musik bewusst wahrnehmbar zu machen. Obgleich die Reduktion des sinfonischen Märchens auf die kammermusikalische Fassung von Carlos Dominguez-Nieto die Atmosphäre des Originals ohne Abstriche erfasste - und sicher auch einen großen Teil des lang anhaltenden Applauses für sich beanspruchen konnte.

Einmal mehr zeigte es sich, wie schwer es doch ist, zugleich pädagogisch wertvolle, emotional ansprechende und künstlerisch bereichernde Kinderprogramme zu entwerfen. Zumal die heute zigtausendfach verwendeten Stoffe, die das Publikum in ausreichender Zahl anziehen sollen (über den Besuch entscheiden ja die Eltern), nicht gerade zeitgemäß sind. Neue Kinderstücke bleiben indes weiterhin liegen, bis sie eines Tages veraltet genug sind, vielleicht doch noch ein Publikum zu finden.

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