Die Zäune stehen noch und auch ein hölzerner Stall, doch die Schweine sind nicht mehr da. Sie haben sich hier am Ortsrand von Buchendorf in der Gemeinde Gauting im Schlamm gesuhlt, in der Sonne gebadet, ihre Rüssel in die feuchte Erde gesteckt oder sind einfach nur faul herumgelegen. Radfahrer und Spaziergänger hatten regelmäßig ihre Freude daran, wie die 40 bis 50 Schweine auf dieser Wiese die Sau rauslassen konnten, bevor sie geschlachtet wurden. Nicht wenige haben es geschätzt, das Fleisch dieser Weidesauen aus der Direktvermarktung an einem Automaten im Ort kaufen zu können. Doch das ist jetzt vorbei: Die Landwirte haben die Schweinehaltung aufgegeben, die letzten Sauen sind bereits geschlachtet worden.
„Anscheinend ist genau diese Art von Haltung bei der Politik und den damit verbundenen Ämtern nicht erwünscht“, schreiben die Landwirte in den sozialen Medien und berichten von „immer mehr Bürokratie und Auflagen“, welche die Haltung einer kleinen Anzahl von Tieren sehr schwer mache. Nach vier Jahren also das Aus, unerwartet und innerhalb kürzester Zeit. Was ist passiert?
Ludwig Thalmair, 25, sitzt an seinem Esstisch und schiebt die Müslischüssel zur Seite. Seit um fünf Uhr ist er an diesem Montagmorgen unterwegs und hat Felder gedüngt. Zusammen mit seinen Eltern vom Hartlhof bewirtschaftet er 130 Hektar Ackerfläche. Die Schweine waren mehr ein Hobby als ein Nebenerwerb, sagt er, „verdient haben wir so gut wie nichts“. Wir, das sind sein Freund Michele Tirabasso, 37, und er. Die Idee entstand vor vier Jahren beim Christbaumverkauf von Tirabasso. „Ich hatte schon seit der Lehre das Hirngespinst, was mit Viechern zu machen“, erzählt Thalmair. Tirabasso betreibt auf seinem Kellerhof keine 100 Meter Luftlinie vom Hartlhof entfernt eine Pferdepension, außerdem hält er im großen Stil Hühner. Er schlug die Schweine vor. Ein paar Wochen später hatten sie nicht weit von den Hühnerställen entfernt 3,2 Hektar Ackerfläche hergerichtet. Bei einem Landwirt in Fürstenfeldbruck kauften sie die Ferkel.
Das Veterinäramt im Starnberger Landratsamt habe alles genehmigt, erzählt Thalmair. Etwa 11 000 Euro hatten die Männer in Zäune investiert - einen Elektrozaun im Innenbereich sowie einen Außenzaun. Zwei Zäune im Abstand von zwei Metern sind in der Freilandhaltung von Schweinen vorgeschrieben, damit es zu keinem Kontakt zwischen einem möglicherweise mit der Afrikanischen Schweinepest infizierten Wildschwein und einem Hausschwein kommt. Die Landwirte deponierten außerdem einen alten Bauwagen vor Ort, in dem sie Gummistiefel und Werkzeug lagerten. Täglich sahen sie nach den Tieren, fütterten sie, streuten die Ställe der Jungtiere ein, füllten das Wasser nach. Nach fünf bis sechs Monaten wurden die Tiere geschlachtet. Ein Metzger in der Nachbargemeinde Krailling zerlegte und portionierte das Fleisch, Tirabasso und Thalmair verkauften es zuerst in Fünf-Kilo-Paketen. Später war es möglich, Schnitzel, Schweinebraten, Halsgrat und andere Produkte aus dem Kühlautomaten am Kellerhof zu holen. Vier Schnitzel kosteten zehn Euro. Die Kunden kamen aus Gauting und Umgebung, viele aber auch aus Neuried und München. Meist reichte ein Post auf Facebook oder Instagram und die Kühlschränke am Kellerhof waren binnen weniger Tage leer gekauft.



Regelmäßig sei die Schweinehaltung vom Veterinäramt kontrolliert worden, erzählt Thalmair. Im November 2024 sei noch alles in Ordnung gewesen. Nach dem Besuch im Januar aber haben die Landwirte schließlich eine mehrseitige Mängelliste erhalten, wonach sie die Vorgaben des Tierseuchenrechts nicht erfüllen. So forderte die Behörde unter anderem einen neuen Elektro-Innenzaun und einen Container als Hygieneschleuse mit zwei Türen sowie einen verschließbaren Behälter für verstorbene Tiere vor Ort. Außerdem sollten die Landwirte auf der Weide Schutzkleidung tragen.
Thalmair nennt die Forderungen „überzogen für einen Betrieb in unserer Größe“. Die Notwendigkeit eines neuen Elektrozauns hätten sie noch akzeptiert, „der alte hatte immer mal wieder Wackler, das haben die Schweine ausgenutzt“, so Thalmair. Doch eine Hygieneschleuse und Schutzkleidung, das schien ihnen zu viel des Guten für ein paar Schweine auf einer Wiese. „Da glauben die Leute womöglich noch, unsere Tiere seien krank, wenn wir so auf der Weide rumlaufen“, sagt Thalmair. Die Gummistiefel aus dem Bauwagen seien mindestens so keimfrei wie der Fuchs oder die Vögel, die regelmäßig auf der Weide unterwegs seien. Und verstorbene Tiere habe man bislang bis zur Entsorgung in einer abgeschlossenen Lagerhalle am Hof gelagert

Während der Landwirt aus Buchendorf von einer finanziellen „Investition“ spricht, die nötig sei, um die amtlichen Vorgaben zu erfüllen, schreibt das Landratsamt: „Im vorliegenden Fall wären die festgestellten Mängel mit geringem Kostenaufwand und im Rahmen von Eigenarbeit ohne Weiteres zu erledigen gewesen.“ Sowohl intakte Zäune als auch die getrennte Aufbewahrungsmöglichkeit von abgelegter Straßenkleidung und stalleigener Arbeitskleidung sowie eine Desinfektionsmöglichkeit für Schuhe seien „eine Standardanforderung an den Schweinebetrieb“. Alle Schweinehalter hätten diese zu erfüllen. Thalmair zuckt mit den Schultern, „Theorie und Praxis sind da sehr weit voneinander entfernt“. Für einen industriellen Schweinemastbetrieb möge das passen, aber nicht für einen kleinbäuerlichen Nebenerwerb. Er wolle sich darüber nicht mit Behörden streiten, die Landwirte hätten ihren Entschluss gefasst - auch wenn es ihnen wahnsinnig schwergefallen sei und schmerze.
Im Automaten auf dem Kellerhof wird es wohl noch knapp eine Woche lang Fleisch von den letzten Buchendorfer Weidesauen geben - dann wollen Thalmair und Tirabasso hier Fleisch und Wurstwaren von befreundeten Landwirten mit identischer Haltung anbieten. Auf der Schweineweide will Thalmair im Frühjahr Mais aussäen.