Konzert:Musikalische Fundstücke am Wegesrand

Konzert: Die Pianistin Johanna Summer bei ihrem Konzert im Gautinger Bosco.

Die Pianistin Johanna Summer bei ihrem Konzert im Gautinger Bosco.

(Foto: Nila Thiel)

Bei ihrem Auftritt im Gautinger Bosco verbindet die Pianistin Johanna Summer Klassik und Jazz auf ihre ganz eigene Art und Weise.

Von Reinhard Palmer, Gauting

Die Auseinandersetzung des Jazz mit der Klassik und umgekehrt hat schon eine lange Tradition. Meist geht es aber dabei darum, Stücke der E-Musik zu verjazzen. Johanna Summer hat ihre eigene Art und Weise entwickelt, die zwei musikalischen Welten eine Liaison eingehen zu lassen, die etwa wie eine Umkehrung des Ansatzes des ukrainisch-russischen Komponisten Nikolai Kapustin anmutet, der in seinen klassischen Kompositionen immer wieder ins Jazzige abgleitete.

Im Gautinger Bosco erklärte Summer ihre Vorgehensweise als einen Spaziergang, bei dem sie dies und jenes an Klassik-Material, was so am Wegesrand herumliegt, aufsammelt, vielleicht gleich wieder wegwirft, manchmal aber sogar wörtlich zitiert oder in brahmsschem Sinne der weiterentwickelnden Variation verarbeitet. Dieses Bild trifft die prozesshafte Entstehung ihrer Musik sehr gut. Es ist eine assoziative, spontane, rein improvisatorische Vorgehensweise.

Wohin sie der Weg führt, wisse sie nicht, denn einen Plan gebe es nicht, versicherte sie bei ihrem Auftritt. Das ist ein mutiger Ansatz, den nur jemand wählen kann, der sich auf dem Instrument frei bewegen kann. Johanna Summer spielt offenbar schon seit ihrer Kindheit in Plauen sowohl Klassik wie auch Jazz. Studiert hat die heute 28-Jährige in Dresden aber Jazzklavier, obgleich ihre hervorragende Anschlagstechnik gewiss genauso gut den Anforderungen der Klassik standgehalten hätten. Ihre pianistische Differenzierung nutzt sie auch im Jazz, was ihre Spielweise von vielen anderen Jazzpianistinnen und -pianisten unterscheidet. Es überrascht bisweilen, mit welch feinen Nuancen sie zu Werke geht. Aber auch dieser Aspekt trägt dazu bei, dass ihre Abstecher in die ernste Musik so schlüssig und nahtlos erfolgen können.

"Ausgehend von Bach über Beethoven, Schubert, Tschaikowski, Grieg und Ravel bis zu Skrjabin, Mompou und Ligeti", sei der Bogen des "Weitererzählens" gespannt, heißt es im Pressetext. Dabei sollte man über den Namen des katalanischen Komponisten Frederic oder Federico Mompou (1893 - 1987) nicht allzu schnell hinweglesen, auch wenn er vom Bekanntheitsgrad her den anderen genannten Komponisten weit nachsteht.

Er hatte am von Gabriel Fauré geleiteten Konservatorium in Paris studiert und war von Debussy und Satie beeinflusst. Seine Werke sind ausgesprochen schlicht, offenbaren aber einen akribischen Klangforscher, dessen Harmonien präzis austariert genau die Wirkung erzeugen, die der jeweiligen Thematik exakt gerecht wird. Insbesondere in den Rücknahmen, in den ruhigen und leisen Passagen war der Zauber seiner Musik auch bei Johanna Summer zu finden.

Neue Möglichkeiten, weite dramaturgische Bögen

Wenn nicht gerade Schuberts Impromptu-Zitate romantische Gesänge einstimmten oder ein Schostakowitsch-Walzer aus der Jazzsuite geschmeidige Sentimentalität versprühte. In den meisten Fällen wählte Summer nicht den Originaltext, bediente sich aber in der Struktur, Diktion, im harmonischen Gefüge oder melodischen Verlauf, sodass die Vorlage erkannt werden konnte und doch etwas Neues entstand. Ob es nun die Akkordtiraden Beethovens, Volumenmodellierung Ligetis oder nordische Folklore Griegs waren: Die Befreiung von Zitaten eröffnete neue Möglichkeiten, weite dramaturgische Bögen zu spannen und die jeweiligen Passagen packend zu entwickeln.

Die Methodik Summers hat einen Nachteil: Sie ist introvertiert. Das In-sich-Hineinhören erschwert die Verbindung zum Publikum. Dennoch blieb das Publikum dabei und wurde dann doch noch von einigen kraftvollen Passagen, teils avantgardistischer Art, mitgerissen. Als Zugabe erzählte Summer "Von fremden Ländern und Menschen" nach Schumanns Vorlage.

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