Kunst im Landkreis Starnberg:Privates für die Öffentlichkeit

Kunst im Landkreis Starnberg: Lockte schon viele Prominente vor ihre Kamera: Sonja Herpich. Die beiden Tatort-Kommissare Udo Wachtveitl (li.) und Miroslav Nemec setzte sie in einer spontanen Aktion in einem Münchner Hinterhof kurzerhand auf zwei Biergartenstühle.

Lockte schon viele Prominente vor ihre Kamera: Sonja Herpich. Die beiden Tatort-Kommissare Udo Wachtveitl (li.) und Miroslav Nemec setzte sie in einer spontanen Aktion in einem Münchner Hinterhof kurzerhand auf zwei Biergartenstühle.

(Foto: Arlet Ulfers/Starnberger SZ)

"Zimmer Nr. 2" heißt die neue Ausstellung im Foyer des Gautinger Kulturhauses Bosco. Sonja Herpich zeigt eine Auswahl von Porträts, die als Auftragsarbeiten für Zeitschriften entstanden sind.

Von Katja Sebald, Gauting

Sonja Herpich sieht so aus, als könne sie so schnell nichts umhauen. Sie kommt zu spät, denn sie stand im Stau. Jetzt quengeln die Kinder. Kurz vor der Eröffnung ihrer Ausstellung klebt sie hier noch ein Schildchen unter ein Foto, packt gleichzeitig die Flyer aus, ermahnt die Kinder, begrüßt die ersten Gäste, posiert für die Pressefotografin. Unten rumpelt schon wieder ein Kind ins Bild, oben sitzt das strahlende Lächeln perfekt. "Zimmer Nr. 2" heißt Herpichs Fotoausstellung im Foyer des Gautinger Kulturhauses Bosco, in der sie eine Auswahl von Porträts zeigt, die als Auftragsarbeiten für Zeitschriften entstanden.

"Das Zimmer Nr. 2 ist das Fundament, auf dem ich stehe", sagt sie. Dieses Zimmer im mütterlichen Hotel war der einzige private Rückzugsort ihrer Kindheit, denn das Leben der Gastwirtsfamilie in der bayerischen Provinz fand wie auf einer Bühne statt: Jeden Tag mit neuen Menschen in Kontakt treten, auf Ungewohntes und Überraschendes reagieren, hier ein Problem lösen, dort einen Wunsch erfüllen, immer mit mehreren Bällen gleichzeitig jonglieren. Sonja Herpich beantwortet die Frage nach der Bedeutung des Ausstellungstitels so: "Jetzt, mit 44, kann ich es ja sagen: Dieses Leben hat mich zu der gemacht, die ich heute bin. Ich bin eigentlich dankbar dafür."

Herpich absolvierte eine Fotografenausbildung in einem Werbestudio und im Deutschen Museum. Nach Assistenzen bei verschiedenen namhaften Fotografen arbeitet sie heute im Bereich Journalismus und Werbung - und jedes Jahr im Herbst als Wiesn-Bedienung. Im Auftrag des Kulturmagazins "MUH" und der Fachzeitschrift "W&V" porträtierte sie im Lauf der Jahre unzählige Prominente, Schauspieler, Schriftsteller, Musiker und Künstler, meistens in ihrem privaten Umfeld. Zum Termin mit dem Kinderbuchzeichner Ali Mitgutsch fuhr sie mit der Fototasche und einer Tragetasche, in der ihre kleine Tochter schlummerte.

Das Duo der Münchner Tatort-Kommissare setzte sie in einem Münchner Hinterhof kurzerhand vor einem aufgespannten Leintuch auf zwei Biergartenstühle. Den Münchner Ethikprofessor Christoph Lütge ließ sie auf einen Tisch im Hörsaal klettern, die Musikerin Anna Veith auf einen Konzertflügel. Mit dem Schweizer Schriftsteller Martin Suter ging sie spazieren und stellte ihn fürs Foto vor ein Gebüsch. Und mit dem Schauspieler Helmfried von Lüttichau war sie an einem trüben Tag in den Bergen unterwegs, wo er mit seinem Hund auf einem Biertisch fürs Foto posieren musste. Die Band Kofelgschroa fotografierte sie auf einem Sofa im Theater im Fraunhofer unter einem Kitschgemälde von Schloss Neuschwanstein.

Kunst im Landkreis Starnberg: Kreatives Chaos und gute Laune bei Kinderbuchautor Ali Mitgutsch.

Kreatives Chaos und gute Laune bei Kinderbuchautor Ali Mitgutsch.

(Foto: Arlet Ulfers/Starnberger SZ)
Kunst im Landkreis Starnberg: Spezialist für schlitzohrige Strizzis, liebenswerte Verlierer, unerschütterliche Lebenskünstler: Regisseur und Drehbuchautor Franz Xaver Bogner.

Spezialist für schlitzohrige Strizzis, liebenswerte Verlierer, unerschütterliche Lebenskünstler: Regisseur und Drehbuchautor Franz Xaver Bogner.

(Foto: Arlet Ulfers/Starnberger SZ)
Kunst im Landkreis Starnberg: Vom Leben gezeichnet: Schauspieler Otfried Fischer.

Vom Leben gezeichnet: Schauspieler Otfried Fischer.

(Foto: Arlet Ulfers/Starnberger SZ)

Herpich war auch bei Ottfried Fischer, bei Ilse Neubauer und bei vielen anderen. Nervosität oder Berührungsängste kennt sie nicht. Vor einem einzigen Termin aber hatte sie dann doch weiche Knie: Sie hatte den Auftrag bekommen, ein Porträt des italienischen Fotografen Oliviero Toscani zu machen, der mit seinen ebenso aufsehenerregenden wie umstrittenen Werbefotos für die Modefirma Benetton in den 1980er und 1990er Jahren ein Stück Fotogeschichte geschrieben hat. Wie diesen Mann fotografieren, der mehr Legende als Mensch ist? Herpich bereitete sich lange und intensiv auf die Begegnung vor. "Am Ende bekam ich genau sieben Minuten Zeit für das Porträt", erzählt sie rückblickend.

Kunst im Landkreis Starnberg: Lässiger Hinweis auf die Profession des Porträtierten: Starfotograf Oliviero Toscani mit bunten Ringelsocken und ausgetretenen Schuhen.

Lässiger Hinweis auf die Profession des Porträtierten: Starfotograf Oliviero Toscani mit bunten Ringelsocken und ausgetretenen Schuhen.

(Foto: Arlet Ulfers/Starnberger SZ)

Sieben Minuten, die sie perfekt nutzte, ohne sich selbst zu verleugnen: Sie stellte Toscani wie beiläufig vor einen improvisierten Hintergrund, dessen Rosarot mit dem Einstecktüchlein in seinem Jackett korrespondiert. Am oberen Ende des Hintergrunds sind die Hände sichtbar, die ihn in die Höhe halten. Dieses Detail wirkt wie ein lässiger Hinweis auf die Profession des Porträtierten. Und dann richtete sie die Kamera für eine zweite Aufnahme auf die bunten Ringelsocken, die zwischen der grauen Hose und den schnöde ausgetretenen schwarzen Schuhen des Starfotografen hervorblitzten. Auch Toscani beugte sich nach vorne, sodass die Hose noch ein wenig höher rutschte. Es entstand ein wunderbares Bild, das zum einen auf die bunte Mode verweist, die den Fotografen einst berühmt machte - und ihn gleichzeitig als ganz normalen Menschen mit Ringelsocken und ausgetretenen Schuhen zeigt.

Die Ausstellung "Zimmer Nr. 2" ist noch bis Freitag, 21. Juli, im Gautinger Bosco zu sehen. Am Donnerstag, 25. Mai, führt Sonja Herpich um 17 Uhr durch die Ausstellung.

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