Süddeutsche Zeitung

Verkehrschaos:Die Baustelle in Gauting kommt wieder weg

Die Gemeinde schwebt 24 Stunden am Rand des Nervenzusammenbruchs. Kilometerlange Staus, Schulbusse kommen eine Stunde zu spät, massiver Protest. Am Abend lenken die Behörden ein.

Von Carolin Fries

Genervte Autofahrer, frustrierte Anwohner und Geschäftsleute, eine ratlose Polizei: Auf den Hauptverkehrsstraßen in Gauting rund um die Würmbrücke geht seit Montagmittag nichts mehr. Im Berufsverkehr stauen sich die Fahrzeuge kilometerweit. Pendler kommen zu spät in die Arbeit, Schüler nicht pünktlich in den Unterricht, Eltern können ihre Kinder nicht rechtzeitig von der Kita abholen. Der Grund: eine Baustelle am Hauptplatz, Gautings Nadelöhr. Die Stadtwerke München (SWM) wollten hier in den kommenden vier Wochen die Hauptgasleitung erneuern. Am späten Dienstagnachmittag hat das Unternehmen in Rücksprache mit dem Landratsamt die Maßnahme abgesagt. "Die verkehrlichen Auswirkungen sind einfach zu massiv", sagt Landratsamtssprecherin Barbara Beck.

An diesem Mittwoch soll die Baustelle wieder abgebaut werden. Darauf hätten sich alle beteiligten Firmen, Behörden sowie die Polizei am Dienstag verständigt. In den kommenden Tage würde dann beratschlagt, zu welchem Zeitpunkt die Maßnahme erfolgen kann und wie man diese am besten in den fließenden Verkehr integriert. Zahlreiche Bürger hatten sich bei Landratsamt, Gemeinde und Polizei beschwert.

Auch Busunternehmer Gerhard Bestele war sauer. "Wir haben schon viel erlebt, aber sowas wie am Montag noch nie", sagt er. Seine Firma Demmelmair schickt fünf Buslinien durch Gautings Mitte, unter anderem ortseinwärts zum Schulcampus in der Germeringer Straße sowie ortsauswärts zum Feodor-Lynen-Gymnasium nach Planegg. Der vergangene Montag aber sei mit nichts zu vergleichen gewesen. "Teilweise hatten die Busse am Montag eine Stunde Verspätung", erzählt er. Man habe am Montagnachmittag noch versucht, mit einem zusätzlichen Bus Abhilfe zu schaffen, "doch der steckte natürlich auch im Stau fest". Dienst- und Fahrpläne würden vorne und hinten nicht mehr stimmen. Vor allem aber ärgert ihn, dass er nicht informiert wurde. Tatsächlich hatte das Landratsamt vergessen, dem Busunternehmen die Baustelle anzukündigen, wie gewöhnlich bei größeren Straßenarbeiten der Fall.

So blieben am Morgen im Gautinger Gymnasium und in der Realschule reihenweise die Stühle leer. Der stellvertretende Schulleiter der Realschule, Reinhard Schlamp, sprach am Dienstagvormittag von einem "Zustand, der so nicht weitergehen kann". Nicht nur Schüler hätten gefehlt - auch zahlreiche Lehrer seien zu spät gekommen. "Es war eine völlige Katastrophe", sagt Sekretärin Astrid Schawohl-Lerch. In Gauting herrschte - ein Stück weit wohl auch durch das Regenwetter bestimmt - der Ausnahmezustand.

Die Wut darüber erreichte sogar Raphael Zuber im Straßenbauamt Weilheim. Auch bei dem für Straßen im Landkreis Starnberg zuständigen Abteilungsleiter sind Beschwerde-E-Mails eingegangen. "Aber wir sind in diesem Fall gar nicht zuständig", sagt er. Auch wenn Staatsstraßen betroffen seien: Die Bauarbeiten inklusive der Verkehrsführung hatte die Untere Verkehrsbehörde im Landratsamt Starnberg genehmigt. Dort hieß es noch mittags nach einem Ortstermin, dass die Schaltung der Behelfsampeln korrekt sei und auf die Schnelle keine Verbesserungen möglich seien.

Auch bei den Stadtwerken zeigte man sich zunächst stur. Bei den ersten beiden Bauabschnitten im Kreuzungsbereich - ursprünglich bis zum 14. Juni geplant - ließe sich "mangels Alternative nichts ändern", teilte Sprecher Michael Solić mit. "Der dritte, verkehrstechnisch unkritische Bauabschnitt in der Starnberger Straße" sollte dann bis zum 28. Juni folgen.

Die Gautinger Polizei hatte die Verkehrsführung bereits am Montag kontrolliert und offen kritisiert. "Nicht zielführend", nannte Kommissar Andreas Kranwetvogl die Absperrungen. Die Kritik zahlreicher Gautinger in den sozialen Netzwerken war gleichwohl deutlicher formuliert. Einige kamen sich wie eingesperrt vor. Angelika Brockt etwa wollte am Montagnachmittag mit dem Auto vom Pippinplatz durch den Ort zum Wertstoffhof am Friedhof fahren, den vom Zünsler befallenen Buchsbaum entsorgen - "keine Chance". Zwei Versuche startete die Gautingerin, schließlich nahm sie den Umweg über Krailling. So wie sie suchten angesichts der Staus viele Autofahrer in den vergangenen zwei Tagen Schleichwege, Umleitungen und Abkürzungen - womit auch in den Wohngebieten mehr Verkehr floss.

Gautings Rathaus-Sprecher Fred Rauscher kann das bestätigen. So hätten viele Autofahrer am Montagabend versucht, den Stau auf der Münchner Straße durch das parallel hinter den Tankstellen liegende Wohngebiet zu umgehen. "Doch vorne am Buchendorfer Berg war ja auch alles dicht." Er spricht von "untragbaren Zuständen" im Ort - umso erfreuter sei man, dass das Chaos nun zumindest vorläufig ein Ende hat. "Jetzt ist Zeit, nach einer vernünftigen Lösung zu suchen", sagte Brigitte Kössinger am Dienstagabend.

Klar ist derweil aber auch, dass die Arbeiten nur verschoben, nicht aufgehoben sind. Bereits für Ende Juli nämlich sind bereits Anschlussarbeiten des Straßenbauamts in der Starnberger Straße geplant. Vom Hauptplatz bis zur Einmündung der Reismühler Straße wird die Straßendecke neu asphaltiert. Beide Baumaßnahmen waren zeitlich aufeinander abgestimmt worden: erst die Leitungsarbeiten, dann die Straßendecke. Zumindest letztere Arbeiten - das stellt Raphael Zuber vom Straßenbauamt vorsorglich klar - seien verkehrstechnisch völlig unbedenklich. "Hier werden die Straßen nur nachts gesperrt, während der Stoßzeiten gibt es kaum Einschränkungen."

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SZ vom 22.05.2019
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