Für die Ärzte in der Gautinger Asklepios-Klinik ist Gréta Bör-Nagy ein kleines Wunder. „Sie war zweimal so gut wie tot“, erinnert sich Oberärztin Ina Geißler an ihre Patientin, die vor einem Jahr mit dem Rettungshubschrauber eingeliefert wurde. Die damals 18-Jährige hatte eine verschleppte Lungenentzündung, das Rippenfell war vereitert, ihr Zustand kritisch. Noch am selben Tag wurde die junge Frau operiert und ins künstliche Koma versetzt. Mehr als zwei Monate dauerte es, bis sie die Klinik wieder verlassen konnte. Heute sagt sie: „Ich bin wieder ganz gesund, ich kann sogar wieder tanzen“.
In dieser Woche jährt sich der Tag, an dem Gréta Bör-Nagy in Gauting das Leben gerettet wurde. „Ich bin so dankbar“, sagt sie und blickt in die Gesichter der Ärztinnen und Pfleger, die sich in einem Besprechungsraum versammelt haben. Sie feiern hier an diesem Dienstag die Erweiterung und Modernisierung der Weaningstation. Prominente Gäste sind gekommen, um später das obligatorische Band durchzuschneiden. Doch vor allem feiern sie die junge Frau, die sich hier mit ihrer Hilfe zurück ins Leben gekämpft hat. Dass diese eigens aus Taufkirchen an der Vils angereist war, rechneten sie ihr hoch an.
Einen Monat lang lag Bör-Nagy auf der Intensivstation und wurde beatmet. Zunächst über einen Schlauch durch den Mund, später über einen Luftröhrenschnitt. In diesen Wochen hat die Schülerin verlernt, selbst zu atmen. „Die Zwerchfellmuskulatur bildet sich schnell zurück“, erklärt Lorenz Nowak, Chefarzt der Intensiv- und Beatmungsmedizin. Auch das Schlucken und Husten müssen Patienten, die beatmet wurden, wieder lernen. „Die Nerven verlieren ihre Empfindlichkeit.“ Sie müssen also langsam und therapeutisch begleitet von den maschinellen Beatmungsgeräten entwöhnt (englisch: to wean) werden. Dieser schrittweise Prozess kann Wochen und Monate dauern. Er lohnt sich aber, davon ist Nowak überzeugt. „Ein Leben ohne maschinelle Beatmung ist Lebensqualität.“
In der Gautinger Lungenfachklinik gibt es darum seit 2007 eine Weaning-Station mit zehn Betten. Dass der Bedarf viel größer ist, stellten die Ärzte, Therapeutinnen und Pfleger bereits nach zwei Jahren aus - und entwickelten Pläne für eine Erweiterung. Ende vergangenen Jahres ist nun die auf 18 Betten erweiterte und modernisierte Station in Betrieb gegangen. 7,5 Millionen Euro hat der Ausbau gekostet, der Freistaat steuerte 2,8 Millionen Euro bei. Das zertifizierte Weaningzentrum ist damit das größte seiner Art in Bayern und hochmodern auf dem neuesten Stand der Medizintechnik ausgestattet. Alle 18 Zimmer sind Einzelzimmer, die zum Teil mit Hebehilfen zur Mobilisation auch von sehr schweren Patienten ausgestattet sind.

Mediziner und Therapeuten arbeiten auf der Station eng zusammen. Mithilfe von Physiotherapeuten lernen Patienten zunächst, wieder frei zu sitzen - auch dafür fehlt meist die Muskulatur. Im Sitzen wiederum fällt das Atmen leichter, das schließlich mit Atemtherapeuten neu gelernt wird. Logopäden sind im Einsatz, um das Schlucken zu trainieren, Ergotherapeuten schulen die Feinmotorik. Der Aufwand für die Entwöhnung von der Beatmung ist groß, doch die Alternative wäre eine stark einschränkende und obendrein teure Langzeitbeatmung. Deutschlandweit gibt es laut Nowak schätzungsweise 15 000 invasiv beatmete Patienten, die außerklinisch in Intensivpflegeeinrichtungen versorgt werden und das Gesundheitssystem jährlich 4,5 Milliarden kosten.


Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) lobte die Gautinger Klinik für ihre Spitzenmedizin und erinnerte an die Anfänge der Pandemie, „als plötzlich Beatmungsplätze gezählt wurden und die heißeste Währung im Land waren“. Gauting habe einen „klangvollen Namen“, weil hier vor fünf Jahren der erste Covid-19-Fall auftrat. Es mag nur ein zufälliger Aspekt am Rande sein, aber auch für Markus Blume ist der 14. Februar ein besonderer Tag ist: Er feiert am Freitag seinen 50. Geburtstag.
Gréta Bör-Nagy erinnert sich regelmäßig zurück an ihre schwere Erkrankung und die Wochen in der Gautinger Klinik. Sechs farbige Zeichnungen, die sie nach ihrer Genesung für das Team der Station angefertigt hat, geben einen Einblick in ihre Krankheitsgeschichte. „Ich habe das noch nicht ganz verarbeitet.“ Sie lernte damals für die Abiturprüfungen, als sie krank wurde, Husten und Fieber bekam.
Zweimal ging sie zum Arzt, bekam auch ein Antibiotikum verschrieben. Doch ihr Zustand verbesserte sich nicht, bis sie am Abend des 14. Februars plötzlich keine Luft mehr bekam und die Familie den Notarzt alarmierte. Sie sei noch bei Bewusstsein gewesen, als sie in Gauting landete. Danach fehlen die Erinnerungen bis zu jenem Tag, als sie in ihrem neuen Leben aufwachte.