Süddeutsche Zeitung

"Patchway-Anger":So soll das neue Gautinger Wohnviertel aussehen

Die Mustersiedlung mit günstigen Wohnungen, Öko-Mobilität und Kita nimmt Form an. Offen bleibt jedoch immer noch, wie viele Menschen dort einmal leben sollen.

Von Michael Berzl

Es ist eines der größeren Neubaugebiete im Landkreis Starnberg, das in Gauting gerade Konturen gewinnt. Was auf einem ehemaligen Firmengrundstück und einer angrenzenden freien Wiese im Westen des Ortes entstehen soll, wird in vielerlei Hinsicht unkonventionell: Mobilitätszentren mit Lastenfahrrädern und Leihautos sind dort vorgesehen, ein Gästezimmer und ein Gemeinschaftsraum sind geplant, auf ökologisches Bauen, viel Grün und Begegnungsmöglichkeiten wird geachtet. Und vor allem: Bei einem Großteil der Wohnungen soll die Miete deutlich unter dem Marktpreis liegen. Auch das gehört zu den Eckpunkten für die weiteren Planungen des "Patchway-Angers", die der Bauausschuss am Dienstag mit großer Mehrheit beschlossen hat.

Außergewöhnlich sind allein schon die Eigentumsverhältnisse auf dem gut drei Hektar großen Areal zwischen Ammerseestraße und Pötschenerstraße. Der Verband Wohnen und das Katholische Siedlungswerk, die Gemeinde und Angehörige der Nürnberger Industriellen-Familie Diehl arbeiten hier zusammen. In Klausursitzungen hinter verschlossenen Türen wurde über das Großprojekt beraten. Vor allem die Grünen wollen dort eine "sozial-ökologische Mustersiedlung" verwirklichen. Bürgermeisterin Brigitte Kössinger (CSU) warnte bei der Debatte über die Geschossflächen im Ausschuss davor, zu weit zu gehen: "Die Eigentümer haben sehr deutlich gemacht, wo ihre Grenzen sind."

Mit großer Mehrheit hat das Gremium in Grundsatzbeschlüssen einige Grundlagen festgelegt. So gibt es nun Obergrenzen für die Wohnflächen und genaue Umrechnungsschlüssel für die Zahl der Autoparkplätze. Ein Kindergarten mit Krippe und Hort, Flächen für Büro und Co-Working und ein Gemeinschaftsraum mit 125 Quadratmetern sind vorgesehen. Selbstverpflichtungen zu ökologischem und nachhaltigem Bauen sind fixiert, hohe Energieeffizienzstandards und Barrierefreiheit ebenfalls.

Es sind viele Vorgaben, die neu aufgenommen wurden. Für den an der Ammerseestraße geplanten Supermarkt ist außerdem festgelegt, dass die Verkaufsfläche maximal 1200 Quadratmeter groß sein darf. Die Wohnungen entstehen zum Teil über diesem Supermarkt, zum Teil in sogenannten Atrium-Häusern auf dem Gemeinde-Teil, aber auch in bis zu fünfstöckigen Mehrfamilienhäusern.

Allein der Verband Wohnen plant mit Hilfe eines Förderprogramms, das allerdings nur bis 2023 läuft, bis zu 80 Wohneinheiten. Das Katholische Siedlungswerk will etwa 90 "preisgedämpfte" Wohnungen errichten. Auf dem Teil der Diehl-Gruppe sind etwa 20 geförderte Wohnungen vorgesehen. Die Gemeinde erwägt ein Einheimischenmodell oder ein ähnliches Vergabemodell.

Eine Zahl, welche die Gautinger wohl am meisten interessieren würde, wurde aber nicht genannt: die Gesamtzahl der geplanten Wohnungen und die Zahl der Menschen, die voraussichtlich in dem neuen Quartier leben werden. Allein der SPD-Fraktionssprecher Eberhard Brucker, einer der schärfsten Kritiker des Vorhabens, spekulierte, es entstünden wohl etwa 300 Wohnungen, es kämen also "weit über 700 Personen". Und er meinte: "Das ist die Gretchenfrage, ob Gauting das verkraften kann."

Zuvor hatte CSU-Gemeinderat Florian Egginger auf die "extreme Wohnungsnot" in der Gemeinde aufmerksam gemacht. Nach Angaben der Planerin Manuela Skorka sind gerade 169 Haushalte in Gauting als wohnungssuchend gemeldet. Im Oktober gibt es eine weitere öffentliche Informationsveranstaltung über den Patchway-Anger.

Auch in anderen Gemeinden im Landkreis Starnberg sind große Neubaugebiete geplant. So wird schon seit vielen Jahren über die Gestaltung der Gilchinger Glatze diskutiert, wo 490 Wohnungen für bis zu 2000 Menschen entstehen könnten. Erst In der vergangenen Woche sind Entwürfe für das Houdek-Gelände in Starnberg vorgestellt worden, wo bis zu 500 Mietwohnungen entstehen sollen.

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SZ vom 29.07.2021
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