Der bisher unbescholtene Mann saß auf der Anklagebank und fühlte sich wie in einem falschen Film, vielleicht wie in einem düsteren Kafka-Roman. Seine Nachbarin in einem Gautinger Mehrfamilienhaus hatte ihn vergangenes Jahr angezeigt, weil er ihr gedroht haben soll, die „Augen aus dem Kopf zu quetschen und sie zu zerstückeln“. Gegen den Elektriker erging daraufhin wegen Bedrohung in zwei Fällen ein Strafbefehl über 2000 Euro, gegen den er aber Einspruch vor dem Starnberger Amtsgericht einlegte.
„Ich habe die Nachbarin nie bedroht und wir grüßen uns immer noch freundlich“, beteuerte der 33-jährige Familienvater im Prozess. Die Anschuldigungen seien haltlos und unerklärlich. Doch die 64 Jahre alte Gautingerin blieb bei ihrer Aussage, im Sommer 2024 von dem Mann zweimal bedroht worden zu sein: In einem Fall habe er laut geschimpft und sie daran gehindert, den Fahrstuhl zu betreten, erzählte die Frau. Aus Angst habe sie daraufhin bei Nachbarn geklingelt. Beim zweiten Mal soll der Angeklagte ihr angeblich gefolgt sein, sie als „alte Hexe“ tituliert und gewarnt haben, „schon einen Leichenwagen bestellt“ zu haben. „Zuerst hatte ich gedacht, er würde mich mit jemandem verwechseln“, sagte die 64-Jährige in der Verhandlung.
Die Frau berichtete davon, dass das Schloss ihrer Wohnungstür seinerzeit manipuliert worden sei und sie nach der zweiten Bedrohung die Polizei gerufen habe. Dazu erklärte ein Einsatzbeamter, dass die Klägerin seinerzeit sehr aufgeregt gewesen sei und einen „nicht 100-prozentig normalen geistigen Eindruck gemacht“ habe. Der Nachbar sei dagegen recht entspannt gewesen und habe auf die Vorwürfe auch nicht emotional reagiert.
Die Richterin mahnte die Frau in der Verhandlung, in ihrer Aussage bei der Wahrheit zu bleiben. Denn andere Bewohner in dem vierstöckigen Haus hätten ebenfalls nichts von Streitigkeiten oder Konflikten zwischen den beiden Nachbarn mitbekommen. Zudem soll die 64-Jährige auch nicht an einer Tür geklingelt haben, um Hilfe zu holen. Selbst der Staatsanwalt hielt die geschilderten Bedrohungen am Ende für nicht glaubwürdig – zumal sich kein Motiv ergab. Die Anschuldigungen waren für ihn nicht nachweisbar, sodass er auf Freispruch plädierte. Diesem Antrag folgte auch das Gericht und kassierte den Strafbefehl ein. Der Angeklagte war über das Urteil sichtlich erleichtert, schien aber immer noch fassungslos zu sein.