Es ist die Zeit der selbstkreierten Superlative in der Gastronomie. Wer in diesen Tagen mit Wirten aus dem Landkreis spricht, hört die Worte "dramatischst" oder "katastrophalst". Nach der Ankündigung von Ministerpräsident Markus Söder wegen der Corona-Pandemie vorerst keinerlei Lockerungen für Gasthäuser und Hotels zulassen zu können, ist die Verzweiflung groß. Soforthilfen und beantragte Kredite seien vielfach noch nicht ausgezahlt und der Liefer- und Abholservice, den viele anböten, bringe in Sachen Umsatz lediglich "einen Tropfen auf dem heißen Stein", wie es die Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands, Claudia Aumiller formuliert. Kurz: Die Gastroszene bangt um ihre Existenz.
Aumiller betreibt mit ihrer Familie seit Generationen das Hotel garni "Jaklhof" in Wörthsee. Wenn sie über die Lage in ihrer Branche spricht und auch über die eigenen Verluste, ist ihr anzumerken, dass auch sie mit großen Sorgen in die Zukunft blickt. Ihre Familie ist zwar Eigentümer der Immobilie, aber "die Kosten laufen alle weiter - und das ohne Gäste". Gerade einmal ein Zimmer habe sie derzeit noch an einen Handwerker vermietet, ihre Umsatzverluste beziffert sie mit 99 Prozent. Drei Mitarbeiter hat sie entlassen, drei in Kurzarbeit geschickt und ihre Aushilfen, die sie in der warmen Jahreszeit normalerweise beschäftigt, wie so viele andere Wirte auch gar nicht erst antreten lassen.
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Dass nicht einmal Biergärten in absehbarer Zeit öffnen dürften, kann sie nicht nachvollziehen. "Das enttäuscht mich sehr, die Branche braucht doch wenigstens irgendwelche Perspektiven", sagt sie. In Absprache mit Verbandspräsidentin Angela Inselkammer will sie sich nun Konzepte überlegen, wie wenigstens eine schrittweise baldige Öffnung der Lokale oder Biergärten möglich sein könnte. Man könne doch nicht eine ganze Branche "ausbluten" lassen, während andere, etwa Eisdielen, ungehindert weiter verkaufen dürften, so Aumiller: "Wo bitte ist denn das Problem in einem Biergarten, da kann man allein durch die Bestuhlung vieles ändern", fragt sie sich.
Die Einbußen liegen sich schon bei 300.000 Euro
So geht es auch Gerda und Peter Reichert vom Hotel und Restaurant "Seehof" in Herrsching. Ihr Betrieb samt Biergarten liegt direkt am Dampfersteg. Normalerweise herrscht um diese Jahreszeit, noch dazu bei den Frühlingstemperaturen, reger Andrang. Nun, erzählt das Wirtepaar, das auf der Oidn Wiesn auch das Zelt "Zur Schönheitskönigin betreibt, ließen sich vor ihrem Eingang am See immer wieder Menschen mit einer Flasche Bier in der Hand nieder. "Diese Halbe", sagt Peter Reichert, "könnten sie doch auch bei uns trinken." Im Selbstbedienungsbereich, mit weniger Tischen und gebührendem Abstand der Gäste zueinander, sei dies kein Problem.
Auf etwa 300 000 Euro Umsatzeinbußen beziffern er und seine Frau Gerda den Verlust aus den vergangenen Wochen. Auch sie haben einen Großteil ihrer Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt: "Die Armen, wie sollen sie davon allein ihre Mieten zahlen können?", fragen sie sich. Als Wirte haben sie Soforthilfen beantragt, eine halbe Million Euro Kredit aufgenommen: "Den werden wir in den nächsten zehn Jahren abbezahlen müssen" - wie so viele andere auch, die mit Darlehen versuchen, über die umsatzfreie Zeit zu kommen.
Das Problem, sagt auch Generoso Aurigemma, der am Wörthsee "Il Kiosko" betreibt, sei, dass nach dem Sommer wieder ein langer Winter vor einem liege: "Das Geld, um diese Monate zu überstehen, müssten wir jetzt erwirtschaften - das geht, selbst wenn wir an Pfingsten wieder öffnen dürften - gar nicht mehr."
Denn die "nachvollziehbaren, völlig richtigen und wichtigen" Abstandsregeln müssten ja weiterhin gelten. Das aber würde auch die Zahl der Gäste beschränken und damit auch dem Umsatz geringer ausfallen lassen als normalerweise um diese Jahreszeit. "Ich weiß nicht, wie es weitergeht", sagt er. "Noch zehren wir von Rücklagen, aber die sind irgendwann aufgebraucht."
Der Lieferservice gleicht nur einer Beschäftungstherapie
Wie es weitergehen soll, fragt sich auch Alexandra Graf, die zusammen mit ihrem Mann Bernhard die "Ilkahöhe" hoch über dem Starnberger See betreibt: "Wir leben im Moment von den Rücklagen, aber die sind irgendwann aufgebraucht." Sie böten zwar derzeit einen Lieferservice an, "was nur geht, weil wir auf Familienbetrieb umgestellt haben: Mein Mann steht in der Küche und ich kümmere mich um den Rest." Viel bringe das nicht ein, "einen Tropfen auf dem heißen Stein", sagt auch sie dazu, und: "Für uns ist es halt eine Beschäftigungstherapie."
Das Schlimme seien auch die vielen Veranstaltungen, Hochzeiten, Taufen, Kommunionen und Firmungen, die abgesagt oder aufs nächste Jahr verschoben würden. Mehr Umsatz in 2021 brächte das aber nicht: "Es gibt ja nicht mehr Samstage für Hochzeiten in einem Jahr." Dass sie nicht wenigstens Terrasse oder Biergarten unter Einhaltung aller Abstands- und Hygieneregeln bewirtschaften dürften, kann auch sie nicht nachvollziehen.
Geknickt wirken auch die Wirte von Klostergasthof Andechs, Ralf Sanktjohanser und Manfred Heissig, die erst vor einem Jahr das Lokal übernommen haben. Der Lieferservice, den sie anfangs anboten, habe sich nicht rentiert. Sie verkauften aber Geschenkkörbe an Ostern und bald auch wieder am Muttertag. "Viele haben auch Gutscheine bei uns gekauft, das ist motivierend", sagt Sanktjohanser. Aber es reicht nicht. Für niemanden, wie er meint: "Mir ist zwar lieber, länger geschlossen zu haben, um das Virus einzudämmen, aber so eine extreme Existenzbedrohung haben wir alle noch nie erlebt. Das stellt die ganze Branche auf den Kopf."