Ganz schön schnell:Auf drei Rädern durchs Fünfseenland

Jugendliche können mit dem Moped-Führerschein den umgebauten Kleinwagen "Ellenator" fahren. 50 der Vehikel gibt es im Landkreis Starnberg, Unfälle sind eher selten.

Von Peter Haacke

Es war vermutlich nicht die allerbeste Idee der sieben Burschen, sich nach einem Biergartenbesuch am Pfingstsonntag gemeinsam in den dreirädrigen Fiat 500 zu quetschen. Der Fahrer des hoffnungslos überladenen Kleinwagens, den schon 16-Jährige mit dem Moped-Führerschein fahren dürfen, war angetrunken. Und der Spaß nahm spätestens in jenem Moment ein jähes Ende, als der "Ellenator" in einer Kurve hinter der Bahnunterführung auf der Pöckinger Straße in Feldafing auf die Seite kugelte. Just in diesem Moment kam zu allem Unglück auch noch ein 41-jähriger Landsberger mit seinem Auto entgegen: Er konnte zwar bremsen, aber auch nicht verhindern, dass er gegen den auf der Seite liegenden Fiat prallte. Bilanz des Zusammenstoßes: mehrere Leichtverletzte und ein Beinbruch.

Die Starnberger Polizei wirft nun die grundsätzliche Frage auf, ob die Erweiterung der Moped-Führerscheinklasse tatsächlich sinnvoll ist. Seit 2013 dürfen Jugendliche ab 16 Jahren mit dem Führerschein A1 nicht nur Motorräder bis 125 Kubikzentimeter, sondern auch auf 15 Kilowatt gedrosselte, dreirädrige Autos fahren. Kfz-Meister Wenzeslaus ("Wenzel") Ellenrieder aus Dösingen am Rande des Allgäus hatte 2015 die Marktlücke erkannt. Er bietet seither zum Dreirad umgebaute Kleinwagen mit dem Namen "Ellenator" an: Die originale Hinterachse weicht einem patentierten Umbau mit Zwillingsbereifung unter dem Kofferraum, die Motorleistung des Dreizylinders ist auf 20 PS reduziert.

Das reicht für immerhin 90 Stundenkilometer und vermittelt durchaus das Fahrgefühl eines richtigen Autos. Kaum ein Unterschied ergibt sich beim Preis: Ein neuer Fiat in der günstigsten Version kostet inklusive Umbau und TÜV-Abnahme immerhin rund 21 700 Euro. Und selbst gebrauchte Exemplare gibt es nur selten unter 15 000 Euro. Doch der umgebaute Kleinwagen ist offenbar vor allem für Jugendliche interessan, die nicht länger auf Eltern oder öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sein wollen: Galt Fahranfängern einst der Kauf eines Mopeds oder Rollers als erster Schritt in die mobile Selbständigkeit, so ist es heute der "Ellenator".

Allein im Landkreis Starnberg sind laut Landratsamt rund 50 Fahrzeuge angemeldet, Tendenz steigend. Allerdings hat das mobile Glück auf drei Rädern bauartbedingt Grenzen: So überschätzte ein 17-jähriger Fahrer aus Tutzing im März 2019 sowohl seine als auch die Fähigkeiten seines fahrbaren Untersatzes: Aufgrund allzu forscher Fahrweise überschlug sich der Wagen in der Würmtalkurve zwischen Starnberg und Gauting dreimal. Fahrer und drei Mitfahrer blieben zwar unverletzt, das Fahrzeug aber hatte nur noch Schrottwert.

Vom ADAC bekam der Ellenator 2018 im Hinblick auf seine Fahrstabilität nur ein "befriedigend": Beim Ausweichtest drohe das Dreirad ab 65 Stundenkilometer zu kippen. Das weiß auch der Hersteller, der laut Verkaufsleiter Klaus Flagner bereits rund 1000 Fahrzeuge verkauft hat, die zu 99 Prozent von jungen Fahrern genutzt werden. Zusätzlich zum Kauf eines neuen Ellenators gebe es neuerdings auch einen Gutschein für zwei Extra-Fahrstunden.

Aus Sicht der Polizei sind die dreirädrigen Vehikel eine zweischneidige Angelegenheit: Auf der einen Seite lernen junge Fahrerinnen und Fahrer praxisgerecht den Umgang mit einem Kraftfahrzeug. Laut Verkehrsexperte Oliver Jauch von der Starnberger Polizei sind sich "die Jugendlichen im Großen und Ganzen ihrer Verantwortung bewusst". Auch Alkoholfahrten seien eher die Ausnahme. Andererseits aber wird der erforderliche Führerschein auf einem Zweirad gemacht, danach ist der Führerscheinneuling mit einem Pkw-ähnlichen Fahrzeug mit gänzlich anderem Fahrverhalten unterwegs. Fahrer des "Ellenators" sollten den Grenzbereich jedenfalls meiden, merkt der ADAC dazu an, da das Fahrzeug zum Kippen neige. Lenkbewegungen sollten nicht zu abrupt erfolgen, Kurven nicht zu schnell durchfahren werden. Der Grenzbereich scheint insbesonder männliche Fahrer zu interessieren: "95 Prozent der Unfälle produzieren Jungs", sagt Flagner. Er weiß von Fahrern, die im Kreisverkehr bis an die Grenzen des Machbaren, zuweilen aber auch darüber hinaus gingen. Allgemein aber gelte: Die Unfallhäufigkeit mit einem "Ellenator" entspreche der von 18- bis 21-jährigen Fahranfängern in normalen Autos. Das bestätigt die HUK Coburg, eine der größten deutschen Kfz-Versicherungsgesellschaften.

Ob es nun Experimentierfreude oder nur purer jugendlicher Leichtsinn war, der die siebenköpfige Gruppe am Pfingstsonntag zu dem Ausflug animierte, ist bislang ungeklärt. Abgesehen von den Alkoholwerten bis zu knapp ein Promille war laut Polizei der Grund für die Havarie die Überladung des Viersitzers in Verbindung mit nicht angepasster Kurvengeschwindigkeit. Fünf der sieben Jugendlichen im Alter zwischen 17 und 19 Jahren waren nach der turbulenten Fahrt zu Fuß von der Unfallstelle geflüchtet. Sehr weit kamen sie nicht. Feuerwehrler aus Feldafing und Pöcking machten die Havaristen ausfindig, entscheidende Hinweise lieferte dabei eine Drohne.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: