Gänseplage am Starnberger See:Zu viel Geschnatter

Am Starnberger See wird heftig über den Abschuss von Gänsen gestritten - andernorts reguliert man die Bestände längst mit weniger rabiaten Methoden.

Armin Greune und Wolfgang Prochaska

Es war fast filmreif: Die Männer kamen am frühen Sonntagmorgen auf das Badegelände, hatten Gewehre dabei und schossen zum Entsetzen der Badegäste auf die im See schwimmenden Gänse. Ein kleines Massaker.

Starnberg See Gänse

Jede Gans hinterlässt täglich zwei Kilogramm Kot am Ufer, verteilt auf 170 Häufchen. Für deren Beseitigung an den Badestränden hat das Landratsamt eigens einen Mitarbeiter abgestellt.

(Foto: STA)

Danach rückte der Trupp wieder ab. Es war keine illegale Aktion, die Jäger hatten eine Genehmigung. Seit dem grausamen Spektakel, das im August in Tutzing am Starnberger See stattfand, ist die alte Diskussion über den Sinn solcher Aktionen zur Reduzierung der Gänsepopulation wieder neu entbrannt.

Am Ammersee wurde 2010 ein Abschussantrag der Jäger abgelehnt - auch heuer ist einer eingegangen, den das Landsberger Landratsamt noch prüft. Denn ob die Jagd tatsächlich die Zahl der Vögel verringert, ist umstritten. Andererseits lehnt der Starnberger Kreisvorsitzende des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Horst Guckelsberger, Bejagung nicht grundsätzlich ab.

Dagegen laufen örtliche Tierschützer Sturm und sammeln mit dem Bund Naturschutz Unterschriften für eine Petition gegen die Jagd. Ein Konzept, ein Managementplan für Gänse wird gefordert, in dem unter anderem Freiflächen für die Wasservögel ausgewiesen werden sollen. Diesen gibt es tatsächlich nicht.

Auf der anderen Seite stehen die Ausflügler, die in den Erholungsgebieten am See klares Wasser und saubere Wiesen wollen und keine mit Gänsekot bedeckte Flächen. Das Landratsamt Starnberg hat extra einen Mitarbeiter abgestellt, der täglich die Erholungsgebiete in Percha und Kempfenhausen auf Gänseschmutz hin kontrolliert und mit einer Kehrmaschine anrückt, wenn die Hinterlassenschaften den Badegästen nicht mehr zumutbar sind. Er hat viel zu tun. Denn eine einzige Gans hinterlässt pro Tag zwei Kilogramm Kot, und zwar in 170 Portionen - im Sommer meist auf einer Wiese am Wasser.

Dass sich die Tiere in den vergangenen Jahren am Starnberger See vermehrt haben, bestätigt auch der LBV. Und dies trotz Bejagung. "Die Gans ist halt schlau", sagen Experten. Damit wächst der Druck auf die Behörden, sich mit dem Thema anders zu beschäftigen, als nur Abschussanträge der Jägerschaft möglichst positiv zu entscheiden.

Für eine Lösung des Konflikts sei es zunächst einmal nötig, "einen gesellschaftlichen Konsens zu finden", sagt der Freisinger Wildbiologe Andreas König. Seine Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Tierökologie hat bereits Konzepte für das Gänsemanagement in München und am Altmühlsee entwickelt. So konnte etwa in der Landeshauptstadt Einigkeit darüber erzielt werden, Gänse in bestimmten Zonen unbehelligt und sie anderswo von Falknern mit Greifvögeln vertreiben zu lassen.

Großer Ernteschaden durch Verkotung

Am Nymphenburger Rondell etwa soll der Bestand auf 20 Gänse beschränkt bleiben. Um dies zu erreichen, wurde ein Teil der Eier in den Gelegen angebohrt - was freilich bei Gänsen bislang nur im Rahmen eines Forschungsprojekts und nicht generell zur Zuwachsregulation gestattet ist. "Andererseits wird diese Methode bei Möwen und Tauben geduldet und weithin akzeptiert", sagt König. Aus biologischer Sicht sei festzuhalten, dass Kanada- und Graugänse als Brutvögel im Freistaat gar nicht natürlich vorkommen: "Alle gehen auf Aussetzungen von Konrad Lorenz und Jägern zurück, Bayern war noch nie ein Gänseland" - doch ihre Zahl steige überall an.

Auch am Altmühlsee konnte ein Konsens erreicht werden. Dort verursachen Gänse nicht nur touristischen, sondern auch landwirtschaftlichen Schaden: Allein in einer Gemeinde hätten Bauern jährliche Ernteausfälle von 30.000 Euro durch Fraß und Verkotung beklagt, sagt König. Auch dort wurden Reservate für die Vögel abgesteckt, während man sie von Badestränden mit Zäunen, Hecken und Schwimmbarrieren und von Feldern durch Überspannungen abhalten will. Um die Population zu begrenzen, werden dort jährlich etwa 80 Gänse geschossen - nur ein Drittel des Zuwachses.

Jäger können die Bestände freilich nur dezimieren, wenn sie größere Flächen konzertiert bejagen - der Flinteneinsatz am Starnberger See dient eher der Vergrämung. Anders als die dort häufigeren Kanadagänse lernten die grauen Verwandten rasch, die Jäger zu fürchten, sagt König: "Sie hauen schon ab, bevor der Jäger sein Auto abgestellt hat."

Beim Abschuss sei problematisch, dass irrtümlich andere Arten getötet oder angeschossen werden. Finge man die Gänse zur Mauser mit Netzen, ließe sich das ausschließen, doch die folgende Schlachtung sei militanten Tierschützern nicht zu vermitteln - "obwohl man es mit Haustieren ja auch macht". Mit den auch rationalen Argumenten zugänglichen Naturschützern vom LBV habe er hingegen "sehr konstruktiv zusammengearbeitet".

Am Starnberger See müsste zunächst die Zahl der Gänse erfasst und der wünschenswerte Bestand festgelegt werden, sagt König. Zentrales Element ist auch für den Wildbiologen ein Flächenmanagement mit Schutz- und Bekämpfungszonen. Ein solches Konzept käme auch den Gänsen zugute: "Gerade der Kormoran beweist, dass Konzeptlosigkeit den Vögeln am meisten schadet."

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